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Im dritten Akademiekonzert erklangen Hensel, Moszkowski, Chopin und Fauré

Es waren wiederholt ein paar neue Ufer zu erkunden im dritten Akademiekonzert der 13. Internationalen Sommerakademie: Gut, von Fanny Hensel hörte man schon öfter, nicht zuletzt auch durch die Ehrung zu ihrem 200. Geburtstag (2005) im Rahmen der Holdenstedter Schlosswochen. Aber so richtig im Ohr hat man von ihr doch keine Note, oder? Und dann ist da noch Moritz Moszkowski. Der Pole (1854 bis 1925) ist nicht zu verwechseln mit dem ähnlich klingenden Russen Nikolai Mjaskowskij (1874 bis 1950). Die Neuentdeckung an diesem Konzertabend war also polnisch.

Bahareh Ahmadi

Zum Auftakt das Klaviertrio von Fanny Hensel, der Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, wobei einen schon die Frage beschäftigt, ob Frauen anders komponieren als Männer. Noch dazu in einer Zeit, also dem 19. Jahrhundert, als diese Berufung für das so genannte schöne (oder schwache) Geschlecht überhaupt nicht auf der Tagesordnung stand. Fanny Hensel jedenfalls wurde von Charles Gounod ein „wahrer Komponist“ genannt. Nein, kein Schreibfehler. Den Genderwahn gab es noch nicht. Und die maskuline Form in diesem Lob war für die Frau auch eins, jedenfalls verstand sie es so. Da mögen heutzutage alle Feministinnen schäumen…

Das Trio in d-moll beginnt mit einem überlangen 1. Satz. Überhaupt ist es ein Mammutwerk von fast 30 Minuten. Vielleicht, weil die Komponistin eben noch ein Motiv vorstellen zu müssen glaubte, noch eine Schleife drehen musste – weiblich eben. Die Dozenten Mark Schumann und Sontraud Speidel begleiteten die Violinistin Sara Ferreira. Die 24-jährige Portugiesin ist außerordentlich rege und fehlte bis jetzt bei keinem Akademiekonzert. Musik sei nicht nur Notenspiel, sondern das Feuer einer Begegnung, sagte der ehemalige Rektor der Weimarer Musikhochschule, Christoph Stölzel. Diese Begegnung hatte ohne jeden Zweifel Feuer. Und obwohl die drei Spieler zu emotionalen Aufschwüngen fanden, überhitzten sie den Ton nie. Sara Ferreira strich ihren wundervollen Ton, den man schon vom ersten Konzert her kennt.

Stefan Hempel, HinrichAlpers und ErikSchumann

 Die Suite für zwei Violinen und Klavier von Moritz Moszkowski hatten sich die Dozenten Stefan Hempel, Erik Schumann und Hinrich Alpers vorbehalten. Und man muss es sagen, ohne die Studierenden kränken zu wollen: Das war schon noch einmal eine andere Liga! Nach dem 1. Satz, Allegro energico, fiel einem nur „Wow!“ ein. Das Allegro moderato von Satz zwei hatte ein seligmachendes Streichermotiv mit einem neckischen Pizzicato am Schluss. Ein wunderbares Lento und ein Molto vivace, das sich wie Jazz anhörte, ehe es einen Hauch Zigeunermusik imaginierte. Das war Musik wie ein Energieriegel! Großartig unerschrocken, kraftvoll wie zärtlich. Und was für ein Miteinander! Die Parts waren zwischen den Instrumenten gleichberechtigt verteilt. Eigentlich war Moszkowski Pianist, von Franz Liszt hoch geschätzt, mit dem er bei einem Auftritt auch auf zwei Klavieren spielte. Diese Partitur war eine Entdeckung, einfallsreich, witzig, modern. Und genauso von den drei Instrumentalisten dargeboten. Der Applaus danach war tosend.

Als Intermezzo, als Zwischenruf, dieses Kammermusikabends spielte Leonhard Krahforst (20 – Polen) die Ballade Nr. 3 As-Dur op. 47 von Frédéric Chopin. Beredt und mit Schwung und keineswegs nur als Verschnaufpause für das folgende Klavierquartett c-moll op. 15 von Gabriel Fauré zu denken. Dafür saß Wan-Jo Lin (24 – Taiwan) vier lange Sätze an der Violine und leistete außerordentlich Beeindruckendes. Die Pianisten wechselten: Zuerst Lily Petrova (19 – Bulgarien), danach für Satz drei Bahareh Ahmadi (33 – Iran), für Satz vier musste wieder Hinrich Alpers ran. Jenny Miller und Mark Schumann an Viola beziehungsweise Violoncello sorgten für das sichere Geleit.

Wan-Jo Lin

Das Quartett entstand 1875, da war der Komponist 30 Jahre alt. Es siedelt zwischen Romantik und Impressionismus und Fauré zeigt sich traditionsbewusst in der Anlage (Sonatenhauptsatzform). In den Formen ist er originell. Der Zuhörer geriet in eine Welt strömenden Klangs. Die Akteure praktizierten ein subtiles Miteinander, waren wandlungsfähig und ausgesprochen zupackend. Ihr Kennzeichen war ein hoher Ausdruckswille. So gehörte der letzte Beifall des zweistündigen Konzerts völlig zu Recht ihnen.

Barbara Kaiser – 21. Juli 2022

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