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Bäume beschneiden – aber wann?

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Foto: ExQuisine/stock.adobe.com

Gedanken zum richtigen Schnitt-Zeitpunkt

„Bäume werden doch im Winter geschnitten, oder?“ Diese Frage taucht bei Kundengesprächen immer wieder auf. In der Fachwelt ist es Usus, dieser Frage mit einer pauschalen Antwort zu entgegnen: „Nein, Bäume schneidet man während der Vegetationsphase, in der warmen Jahreshälfte.“ Der Grund dafür ist, dass der Baum in dieser Phase oberirdisch aktiv ist und auf die Verwundungen der Schnittmaßnahme unmittelbar reagieren und die Bildung von Wundholz (Kallus) und andere Abwehrmaßnahmen einleiten kann. Diese Meinung hat sich in den 1980er Jahren durchgesetzt. Damals brachten die Erkenntnisse des amerikanischen Forstwissenschaftlers Alex Shigo (1930-2006) die Fachwelt in Aufregung und begründete letztendlich die „Neue Baumpflege“. Seitdem stellt niemand mehr infrage, dass die Wundheilung an Bäumen tatsächlich besser abläuft, wenn in der „aktiven“ Zeit geschnitten wird.
Trotzdem werden zunehmend kritische Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass die Wundheilung nicht als einziger Aspekt für die Bestimmung des Schnittzeitpunktes herangezogen werden kann. Vielmehr müssen auch die physiologischen Situationen, die sich während der Vegetationszeit ständig ändern, berücksichtigt werden. Im Winter lebt der Baum von seinen eingelagerten Reservestoffen. Diese Stoffe sind in der frühen Winterzeit in den dicken Starkästen und im Stamm gespeichert. Schneidet man in dieser Zeit im Feinastbereich, werden diese Einlagerungen wohl nicht gemindert, allerdings haben Schaderreger, die sich an der Wundoberfläche ansiedeln, mehr Zeit sich zu etablieren. Im späten Winter, kurz vor dem Blattaustrieb, sind die Reservestoffe schon aktiviert und befinden sich nun auch im Feinastbereich. Schneidet man jetzt, verringert sich der Austrieb. Dieser Effekt wird aber meist durch die neue Blattmasse über die Zeit kompensiert. Das Frühjahr und der Frühsommer sind die Hauptphasen der Assimilationsproduktion in den Blättern und des Längen- und Dickenwachstums. Ein Schnitt zu dieser Jahreszeit fördert die Trieb- und Verzweigungsbildung; der Baum wird dichter. Auch sind die Schaderreger zu dieser Zeit am aktivsten. Im Sommer ist die Triebausbildung abgeschlossen, es findet aber noch Dickenwachstum statt. Die entnommene Blattmasse wird nicht ersetzt und vermindert die Fläche für die Photosynthese und somit die Produktion von Assimilaten. Auf der anderen Seite erhöhen die verbliebenen Blätter ihre Produktion und Triebe werden gestärkt. Diesen Effekt macht man sich u.a. im Obstbau zunutze. Der Spätsommer und Herbst sind die Hochphasen der Reservestoffeinlagerung. Diese sind für die Atmung im Winter, den Neuaustrieb im Frühjahr und für das Wurzelwachstum, der auch im Winter stattfindet, sehr wichtig. Ein Schnitt in dieser Jahreszeit vermindert diese Einlagerung und schwächt den Baum.
Diese beschriebenen physiologischen Veränderungen während des Jahres sind abhängig von der Baumart und unterscheiden sich auch individuell innerhalb einer Baumart. Merkwürdigerweise gibt es zum Thema Schnittzeitpunkt noch keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen, geschweige denn Publikationen. Es zeigt sich jedoch, wie komplex das Lebewesen Baum ist und dass es bei jedem Eingriff in dieses System viel zu bedenken gibt. Ausgehend von der Frage, was erreicht werden soll (Kronenreduzierung, Ertragsschnitt usw.), müssen die langfristigen Folgen einer Schnittmaßnahme abgewogen werden. In der Praxis ist es nicht möglich, alle Bäume zum richtigen (günstigen) Zeitpunkt zu schneiden. Wenn man sich aber über die Folgen eines Schnittes bewusst ist und auf die richtige Schnittführung achtet, kann ein Baum lange gesund und vital erhalten werden.
Wenn Sie Fragen haben oder wir Ihr Interesse geweckt haben, melden Sie sich bei uns. Wir beraten Sie gerne.

Inspiriert durch den Text „Schnittzeit von Bäumen“ von Johannes Bilharz,
www.baumpflegeportal.de/baumpflege/schnittzeit-von-baumen-eine-diskussion/

[Baumfachwerk]

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