Internationale Sommerakademie biegt mit 1. Abschlusskonzert auf Zielgerade ein
Was soll man sagen: Es ist wie immer. Ein bisschen Wehmut, ein Quäntchen Erleichterung und ganz viel Freude. Wehmut, dass es gleich vorbei ist, Erleichterung, dass alles gut lief, Freude angesichts der vielen jungen musizierenden Menschen. Traditionell im Kloster Medingen gab es das erste Abschlusskonzert. Es fühle sich gut an, sagte Hinrich Alpers, nach zwei Jahren erzwungener Abstinenz wieder hier zu sein. Und Äbtissin Dr. Kristin Püttmann erwiderte, die Veranstaltung werde immer an diesem Ort ein Zuhause haben. Zu gedenken gab es auch – mit Erschütterung musste die Sommerakademie-Fan Gemeinde vom Tod Jan Staniendas hören. Der Konzertmeister des Wratislavia Kammerorchesters aus Wrocław ist im vergangenen Herbst, erst 68-jährig, völlig unerwartet gestorben. Es ist ihm ein Andenken zu bewahren, weil er und sein Klangkörper sich stets sensibel um die Meisterklassenschüler (ob nun Klavier oder Streicher) bemühten, von denen manche überhaupt das erste Mal mit einem Orchester zu spielen die Gelegenheit erhielten. Die Leitung hat die Geigerin Roksana Kwaśnikowska von ihm übernommen.
Das Programm des ersten Abschlusskonzertes war lang. Auch das kennt man. Soll es doch so vielen Studenten wie möglich einen Auftritt bieten. Das Repertoire bewegte sich zwischen Mozart, Chopin und Cage – kein Beethoven, kein Bach. Dabei begeht man in Eisenach derzeit den 300. Jahrestag seines „Wohltemperierten Klaviers“! Zum Auftakt erklangen die ersten beiden Sätze aus Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert Es-Dur KV 271. Antoine Chretien (22 – Frankreich) und Helen Yu (18 – Kanada) saßen am Flügel. Es war eine präsente, feinnervige und technisch souveräne Leistung, atmosphärisch ausbalanciert. Das Orchester war verlässliche Unterstützung an ihrer Seite. Das übrigens den ganzen Abend lang.
Wenn schon nicht „wohltemperiertes Klavier“, dann die Préludes op. 28 von Frédéric Chopin, muss sich Mayu Takeuchi (25 –Japan) gedacht haben und präsentierte die Nummern 1 bis 5 sowie 8 und 24. Diese Préludes sind ja so etwas ähnliches, obgleich sie Chopin nicht wie Bach als Vorspiele verstand, sondern eher als Improvisationen. Es sind Miniaturen, und die Spielerin besaß eine Menge emotionales Charisma, damit umzugehen. Sie ließ das Publikum die klagenden Intervalle der Nr. 4 fühlen, beeindruckte durch die pianistischen Schwierigkeiten der Nr. 5 und bewältigte die exaltierten Steigerungen der Nr. 8. Mit diesem Chopin setzte die junge Japanerin ein interessantes Achtungszeichen.
Die Chinesin Zeling Shen (22) hatte sich John-Cage-Noten aufs Pult gelegt. „In A Landscape“ aus dem Jahr 1948. Ein Stück, ungewöhnlich harmonisch für diesen Komponisten; die Interpretin schaffte es, eine Landschaft nach Hokusai zu imaginieren. Klang es da nicht fernöstlich oder war es Einbildung? Es ließ aufhorchen, wie Zeling Shen in dieser einförmigen Klang-Collage die Lust an der Distanz mit großer Zärtlichkeit verband.
Sara Ferreira (24 – Portugal) und Shu Ran Li (25 – Kanada) nahmen sich der Sätze zwei und drei aus Mozarts Violinkonzert A-Dur KV 219 an. Das wundervolle Adagio entledigte sich aller Schwere und Betrübnis. Tempo di Minuetto von Satz drei erklang hochkultiviert und spiellocker. Und war da nicht auch ein bisschen ungarisches Flair? Nach der Pause war der Auftritt von Leonhard Krahforst (22 – Polen) und I-Sahn Lu (25 – Taiwan) mit zwei Nocturnes op. 62 von Chopin. Beide klangsensibel, er suchend im H-Dur, sie elegant in E-Dur.
Danach bekamen auch die Streicher ihren Mozart: Das Violinkonzert G-Dur KV 216. Durch die drei Sätze wechselten Simao Ferreira (13 – Portugal), Jona Rakoszy (14 – Deutschland) und Michael Drescher (22 – Deutschland). Um es vorweg zu sagen: Die beiden „Kleinen“ hatten den Kinderbonus an keiner Stelle nötig! Auch wenn das Orchester für sie noch mal eine extra Schippe Liebe und Sympathie in ihre Begleitung zu legen schien. Mit hörbarem Sinn für die eigenen Pointe begann Simao Ferreira (übrigens der kleine Bruder von Sara Ferreira und der erste Solist des Abends, der die Konzertmeisterin wie es üblich ist begrüßte), und Jona Rakoczy spielte ein Adagio zum Niederknien! Danach hatte es ein 22-Jähriger nicht leicht, aber Michael Drescher brachte das Werk frohgemut und jubelnd zu seinem Ende. Langer Beifall für alle Akteure.