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Eine Botschaft aus Klang

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Erstes Akademiekonzert zwischen Romantik und Moderne

Der Abend des ersten Akademiekonzerts der 13. Internationalen Sommerakademie endete im Jubel. Es kann aber auch nur faszinierend genannt werden, was Ziyu He, der Violinist aus der Volksrepublik China (mit dem Korrepetitor Naaman Wagner am Klavier) als Schlusspunkt hinter 100 Minuten musikalischer Entdeckungen gesetzt hatte. Mit der Caprice Basque op. 24 von Pablo de Sarasate riss er das Publikum ohne jeden Zweifel hin. Dieses Stück von hoher Schwierigkeit, in dem der Komponist spanische Volksweisen verarbeitete und das vom charakteristisch punktierten Rhythmus des »Zortzico«, eines baskischen Tanzes im 5/8-Takt, beeinflusst ist, wurde von dem 22-Jährigen virtuos aufs Podium gebracht. Ein guter Grund, begeistert zu sein.

Hanna Kozyak.

Es war ein Konzertabend, der jenseits ausgetretener Konzertpfade lief, die Partituren schmeichelten sich aber alle ins Ohr und Herz des Publikums. Als Auftakt zum Beispiel Sara Ferreira (24) mit ihrer Violine und den drei Romanzen op. 22 von Clara Schumann. Zwischen wehmütig, sinnlich und heiter und einem Timbre des Instruments, wie das satter kaum hätte sein können; fast der Bratsche verwandt. Die Portugiesin spielte versiert und dabei wunderbar unsentimental.

Jeongro Park.

Der Südkoreaner Jeongro Park (33) interpretierte zwei Stücke aus Franz Liszts Feuerwerk der Poesie, die „Pilgerjahre“ (Années de Pelerinage). Langsam aber unerbittlich, die Spannung aufbauend und haltend. Schwelgend, perlend, mit jähen, doch wohldosierten Ausbrüchen. Er setzte wuchtige Ausrufezeichen, ohne brachial zu donnern.
Einen langen Applaus erhielt die 15-jährige Ukrainerin Hanna Kozyak für die Musik ihrer Landsleute: Ein bisschen verträumte Romantik von Vasyl Barvinsky (1888 bis 1963), Wassertropfen à la Debussy im Fantasiestück von Mykola Kolessa (1903 bis 2006) aus dem Jahr 1938 – was in der Sowjetunion eines Stalin durchaus mutig zu nennen ist. Und ein Toccata-Poem von Zhanna Kolodub (*1930), aufregend, dissonant und hocherfreulich gespielt durch die junge Pianistin.

Sara Ferreira.

Und dann gab es noch die Dozenten, die sich ebenfalls eifrig ins Zeug legten:
Stephan Picard gesellte sich zu seinem Kollegen Stefan Hempel und spielte mit ihm den 2. Satz aus der Sonate für zwei Violinen von Eugène Ysaÿe, dem belgischen Komponisten (1858 bis 1931) brillanter Salonstücke. Vor einem Jahr erklang der erste Satz des Werkes, das 1915 entstand und zwischen Hochromantik und Expressionismus und vielleicht – den Schrecken des I. Weltkrieges siedelt. Schufen die Solisten damals eine Sphäre sensibel schattierter Stimmungen mit aggressiven Ballungen und tragischen Kantilenen, kommt der zweite Satz getragener daher und ist eine konzentrierte Botschaft aus Klang, der nichts von Abnutzung weiß.

Ziyu He.

Stephan Picard und Hinrich Alpers legten sich die Sonate Posthume für Klavier und Violine von Maurice Ravel aufs Notenpult, und Stefan Hempel und Daniel Seroussi interpretierten Thème et Variations für Violine und Klavier aus dem Jahr 1932 von Olivier Messiaen. Bei Lehrern verbietet sich ja Kritik, zudem darf man bei ihnen die Erreichung einer Perfektion voraussetzen, die eine überragende Ausdrucksintensität ermöglicht. Und so gab es Spannkraft und Können, die gleichzeitig mit der Lässigkeit spielten; Darbietungen, die überzeugten. Wo Akkorde kein Brei, sondern die transparente Summe ihrer Töne waren, nichts schepperte oder schrillte. Eine runde Sache.

Barbara Kaiser – 18. Juli 2022

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