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Entdecker der Peripherie

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Moritz Schott

Moritz Schott saß beim dritten St.-Marien-Sommerkonzert an der Orgel

Es war nicht die dümmste Idee, bei über 30 Grad Hitze zu „Uelzens angenehmstem Platz“(Erik Matz) zu pilgern. Im Kirchenschiff von St. Marien  herrschten angenehme Temperaturen, und der Gast an der Orgel, Moritz Schott aus Hamburg, erwies sich als ein Entdecker der Peripherie. Angekündigt waren Klangwelten aus vier Jahrhunderten – gut, wenn man  Martin Luthers Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, über den Max Reger seine überwältigende Fantasie schrieb, dazu nahm, kam man auf vier Jahrhunderte. Sonst wären es nur drei gewesen. Am Ende erklangen die 60 Minuten Musik in hoher Vollendung, auch oder vor allem die Noten, die keineswegs als gängig gelten.

Auf dem Programm stand zuerst die Toccata decima von Georg Muffat (1653 bis 1704). Der Name benennt es bereits: es war keine allzu dröhnende Angelegenheit wie man sie später von Bach kennen würde… Die beiden Komponisten des 20. Jahrhunderts, Frank Martin (1890 bis 1974) und Olivier Messiaen ((1908 bis 1992), machten mit „Passacaglia“ und „L`Ascension“ auf erstaunliche Weise klar, dass Musik auch funktionieren kann, wenn man die Klänge annimmt, sich von dem Ehrgeiz befreit, eine Melodie oder eine erwartbare Intonation erkennen zu wollen. Dann nimmt einen das Ganze mit, spült einen fort. Ein durchaus angenehmer Zustand. Moritz Schott spielte mit Akkuratesse und kühler Präzision, an keiner Stelle war er zu sehr verliebt in die koloristischen Effekte der Partituren, die sich zwischen dissonanter Schönheit und kräftigem Tusch bewegten.

Bei der (ebenfalls) Passacaglia von Johann Caspar von Kerll (1627 bis 1693) war die Orgel als Instrument Verschwendung – es hätten auch zwei Flöten getan, so grazil ist das Werk. Und der Solist versuchte erst gar nicht, Pomp zu verbreiten.

Felix Mendelssohn-Bartholdys Sonate D-Dur op. 65 Nr. 5 interpretierte Moritz Schott fein schattiert in der so charakteristischen Offenheit. Höhepunkt der Orgelstunde aber war die bereits erwähnte Fantasie op. 27 über Luthers Choral. Wie sich da immer wieder Fetzen der schlichten Originalmelodie aus dem hochromantischen Wust Regers schälen, wie sie nicht verloren geht in all den Läufen, Koloraturen und Schnörkeln, das war meisterhaft, mit einer attackierenden Ausstrahlung dargeboten.

Summe:  An keiner Stelle blieb das Konzert ein „gewöhnlicher“ Orgelvortrag, sondern wurde auch eine Klang- und Hörerfahrung, für die die Sommerkonzerte immer auch Raum geben.

Am Samstag, 27. Juli 2024, sitzt Kantor Erik Matz selber auf der Empore. Fürs Duo hat er sich Peter Holtslag aus Bad Bevensen eingeladen, der an den Flöten agieren wird. 16.45 Uhr, St. Marien.

Barbara Kaiser – 21. Juli 2024

 

 

 

 

 

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