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Feuilleton

Aufruhr der musikalischen Farben

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Zweites Akademiekonzert brachte Beethoven, Mendelssohn und Williams zu Gehör

Der Beifall war entschieden und langanhaltend. Die Akteure des Klavierquintetts von Ralph Vaughan Williams wurden mehrmals auf die Bühne gerufen und waren sichtbar glücklich ob des gelungenen Auftritts. Es war aber auch wieder einmal eine schöne Entdeckung: Zwischen flirrender Melancholie und klug kalkulierter Emphase.

Asier Oroz Mendiola (22/Spanien) saß am Flügel über alle drei Sätze und war der sichere Grund, auf dem sich Muxiang Zhang (24/China) an der Violine, die beiden Kammermusikdozenten Piotr Szumieł (Viola) und Antoantea Emanuilova (Violoncello) und vor allem die Student:innen am Kontrabass: Joris Samson (21/Deutschland), Elisa Schoenlein Jaurena (21/Spanien) und Anton Kammermeier (25/Deutschland) bewegten.

Beifall für ein umwerfendes Mendelssohn-Quartett: Clara Wedel, Hinrich Alpers, Antoaneta Emanuilova, Pjotr Szumiel (von links)

Oroz Mendiola

Auf meine Frage letzte Woche an Hinrich Alpers, ob es in diesem Jahr wieder das „Forellenquintett“ gäbe, das im vergangenen Jahr wahre Triumphe feierte, antwortete er nur: Wir spielen diesmal den Williams, aber in „Forellen“-Besetzung! Was Kontrabass heißt. Der Williams ist ein ganz neues Hörgefühl.  Man darf mal an Gershwin denken beim Andante oder an Tschaikowski angesichts des Klavierbombasts.

Das umfangreiche und hervorragend geschriebene Stück, 30 Minuten lang, ist aber Williams. Dieser Komponist, der einen Choral zur Krönung Elisabeths II. arrangierte, die Ritterwürde jedoch mehrmals ablehnte und sich politisch am Sozialismus orientierte. Das ist für eine Künstlerpersönlichkeit bemerkenswert, finde ich. Zumal in seiner Zeit (1872 bis 1958), in der ein Joseph McCarthy seine antikommunistischen Verschwörungstheorien und Denunziationen betrieb (1950/54). Aber das ist eine andere Geschichte…

Der erste Satz des Quintetts, Allegro con fuoco, ist expansiv, geheimnisvoll und voller spätromantischer Leidenschaft, seine Harmonien mögen an Brahms angelehnt sein, aber modisch in den leiseren Passagen gefärbt. Die ausdrucksvolle romantische Melodie des Andante ist charakteristisch für den Komponisten. Das Finale, ein Satz von fünf gut differenzierten Variationen, endet mit einer wunderschön-zarten Coda, der Fine-Ton kommt bei den Akteuren auf den Punkt.

Der erste Satz des Quintetts, Allegro con fuoco, ist expansiv, geheimnisvoll und voller spätromantischer Leidenschaft, seine Harmonien mögen an Brahms angelehnt sein, aber modisch in den leiseren Passagen gefärbt. Die ausdrucksvolle romantische Melodie des Andante ist charakteristisch für den Komponisten. Das Finale, ein Satz von fünf gut differenzierten Variationen, endet mit einer wunderschön-zarten Coda, der Fine-Ton kommt bei den Akteuren auf den Punkt.

Kaixiang Wang

Begonnen hatte der Abend des zweiten Akademiekonzerts mit Ludwig van Beethovens Klaviersonate A-Dur op. 30,1. Kaixiang Wang (21/China)  hatte sich dafür präpariert und interpretierte das Allegro sehr zupackend und flüssig, dabei gestisch genau. Man hätte ihm einen sensibleren Begleiter gewünscht, Daniel Seroussi bediente den Flügel ein wenig aufdringlich und nicht immer tastensicher.

Ansonsten aber war dieser Beethoven, der sich mit der Sonate auf den Weg gemacht hatte zu seinem „heroischen Stil“, hörenswert.  Geschrieben im Jahr des „Heiligenstädter Testaments“, reagierte der 23-jährige Komponist auf seine ganz private persönliche Katastrophe und die politische Lage. Dass er das Stück Zar Alexej widmete, wurde schon damals als Statement gegen Napoleon verstanden.

Mein persönlicher Glanzpunkt der zwei Stunden Musik war allerdings das Klavierquartett h-moll op. 3 von Felix Mendelsohn-Bartholdy aus dem Jahre 1825. Es gibt vier Quartette, die der 13 bis 16-Jährige verfasste, und der Welt damit offenbar zeigen wollte, was er fertig zu bringen in der Lage sein würde. Dieses in h-moll ist Goethe gewidmet; Mendelssohns Lehrer Carl Friedrich Zelter führte seinen Schützling in dessen Haus ein. Der Dichterfürst bewunderte zwar den Meisterschüler seines Freundes als Pianist, zum Quartett hatte er eine eher maliziöse Meinung: „Dieses ewige Wirbeln und Drehen führte mir die Hexentänze des Blocksbergs vor Augen, und ich fand also doch eine Anschauung, die ich der wunderlichen Musik supponiren konnte.”  Der Alte aus Weimar stand also dieser „wunderlichen”, romantischen Musik des jungen Mendelssohn einigermaßen ratlos gegenüber.

Ganz und gar nicht ratlos, die Interpretation betreffend, zeigten sich die Dozenten Piotr Szumieł (Viola), Antoaneta Emanuilova (Violoncello) und Hinrich Alpers (Klavier), die eine wunderbare und große Arbeit ablieferten, um die erst 18-jährige Clara Wedel (Deutschland) an der Violine mit davonzutragen. Das Publikum erlebte eine couragierte und sehr beeindruckende Darbietung  über vier Sätze. Hinrich Alpers leistete ein pianistisches Kolossalprogramm. Das Pathos wurde kanalisiert ohne es zu neutralisieren. Kein überhitzter Ton, und trotzdem fanden die Musiker zu emotionalen Aufschwüngen und waren bevorzugt in den Piani überzeugend. Aus der spieltechnischen Leistung schlugen Funken, aber keiner versuchte, sich auf Kosten des anderen zu profilieren. Diese „Tour de force“ glänzte mit großer Innigkeit und ausgelassener Fröhlichkeit gleichermaßen. Bravo!

Barbara Kaiser – 24. Juli 2024

Bestattungshaus Kaiser