Kennen Sie Eugen d` Albert
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Erstes Abschlusskonzert der Sommerakademie stellte auch diesen Komponisten vor
Hinrich Alpers sah zufrieden aus. Nein, nicht selbstzufrieden, aber er freute sich sichtlich, als er die zahlreichen Besucher zum ersten Abschlusskonzert der 15. Internationalen Sommerakademie begrüßen konnte, das traditionell im Kloster Medingen stattfindet. Man biegt also schon wieder auf die Zielgerade ein mit diesem Jahrgang, der mit 70 eine Rekordteilnehme rzahl gesehen hatte. Es gab ein umfangreiches und abwechslungsreiches Programm; wieder mit einigen neuen Hörerfahrungen.
Zum Auftakt das einzige Solokonzert für Kontrabass des böhmischen Komponisten Johann Baptist Vanhal (1739 bis 1813). Das reizt einen Tonumfang aus, der sich aus Höhen, die diesem Instrument nie angemessen schienen, bis zu den gewohnten Tiefen in die Gehörgänge der Zuhörer schmeichelte. Das Allegro moderato stellte Jingyi Cui (20/China) vor, die sicher und scheinbar leicht die Wechsel zwischen den Tonlagen (man bedenke, d
er Bass hat keine Stege wie etwa die Gitarre!) und die Doppelgriffe in der Kadenz bewältigte. Für das folgende Adagio und das Finale, ein Allegro moderato, stand Elisa Schoenlein Jaurena (27/Spanien) bereit. Die Solistin wurde im dritten Satz sicherer, beim singenden Adagio des zweiten blieb Luft nach oben.
Für Joseph Haydns Violinkonzert C-Dur Hob. VIIIa:1 hatten sich Muxiang Zhang (24/China), Marie-Sophie Thiele (20/Dt.) und Juexuan Ren (22/China) vorbereitet. Die ersten beiden Solisten hatten schon überzeugende Vorstellungen in den Akademiekonzerten geliefert und bestätigten selbige auch hier. Mit Lässigkeit, hüpfend und federleicht das Allegro in Satz eins, das Adagio mit ausgelotetem Klang – der langsame Satz ist immer die große Herausforderung zumal bei jungen Solisten, von denen manche lieber ihre Virtuosität in den Vordergrund stellen wollen. Aber auch das Presto von Satz drei kam intensiv und konzentriert im Publikum an.
An dieser Stelle ein Wort zum Kammerorchester Wratisłavia aus Wrocław mit seiner Leiterin Roksana Kwaśnikowska, das mindestens seit zehn Jahren verlässlich an der Seite der jungen Musiker:innen ist. Das Ensemble hat seinen Sound weiter verfeinert und spielt mit einem wunderschönen Timbre. Als Begleiter ist es anschmiegsam und unterstützend und den Solisten in jedem Fall ein großer, sicherer Grund.
Für die Violinesonate solo op. 27,3 des Belgiers Eugène Ysaӱe erhielt Jona Rakoczy (17/Dt.) tosenden Beifall. Das Stück, „Ballade“ genannt, besitzt einen hohen Schwierigkeitsgrad und beginnt sehr düster. Es bleibt insgesamt schwermütig, ist aber ein nachhaltiges Erlebnis für die Zuhörer. Denn der junge Solist bewältigte es fingerflick und sehr souverän.
Mit Tempo, Klarheit und Durchsichtigkeit in lyrisch-intensiver Klangrede interpretierten Zeyu Shen (24) und Ximan Xu (20/ beide China) zwei Etüden von Claude Debussy. Es handelte sich um zwei Stücke aus der Reihe von 12 Klavieretüden, die 1915 entstanden. Debussy beschrieb sie als „eine Warnung an Pianisten, den musikalischen Beruf nur zu ergreifen, wenn sie über bemerkenswerte Hände verfügen.“ Und so nannte er die zu Gehör gebrachten Stücke Nr. V und XI „Für Oktaven“ und „Für Arpeggien“ (gebrochenen Akkorde, in denen die Töne nicht zusammen, sondern nachein
ander erklingen). Die beiden Solist:innen besaßen ohne Zweifel die geschickten Hände wie von Debussy gefordert.
Dann stellte Monan Jülch (20/Dt.) diesen gewissen Eugen d`Albert (1864 bis 1932) aus der Überschrift vor mit dem ersten Satz von dessen Klaviersonate fis-moll op. 10. Monsieur d`Albert (er hatte einen französischen Vater, wurde aber in Glasgow geboren) hat mit seiner Frau Teresa in einer Villa in Coswig/Sachsen (bei Dresden) gelebt. Neben dem Gedenken und der Erhaltung des Erbes von Teresa Carreño (die Pianistin war) und Eugen d’Albert gilt die „Villa Teresa“ als kulturelles Zentrum der gesamten Region. Nachdem Monan Jülch diese Musik auch in der in der attraktiven Villa in Coswig gespielt hatte, kam er damit ins Kloster Medingen! Die Satzbezeichnung lautete „Mäßig, aber leidenschaftlich bewegt“. Der Musiker hielt sich daran. Es ist ein schönes Stück aufregende Romantik, vielleicht auch mit einem Hauch Impressionismus. Monan Jülch ließ sich nur ein klein wenig verführen – denn die Musik ist auch Renommierstück.
Am Ende des Abends stand Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-moll op. 27. Xinni He (17), Wenwen Zhao (27/beide China) und Taeeun Kim (29/Südkorea) hatten sich die drei Sätze vorgelegt. Das Allegro con brio sah an keiner Stelle einen Haken oder ein Stolpern in den flinken Läufen und mit der Kadenz brillierte die Solistin. Das Adagio des zweiten Satzes kam vielleicht eine Spur zu behäbig und schwer daher; da reißt der Spannungsbogen schnell bei solcher Spielweise. Ein erfrischendes Rondo – Allegro am Schluss, mit einer gewissen Kühnheit, doch frei von virtuoser Effekthascherei. Das war insgesamt ein hochenergetisches Vorwärtsdrängen, jedoch ohne Hetze oder Atemlosigkeit. Bravo! Beethoven schrieb sein Konzert 1800 bis 1803. Eine Anekdote über die Uraufführung, die er selbst spielte, erzählt, dass sein Freund Ignaz Xaver von Seyfried ihm die Notenseiten umblättern sollte und danach sagte, dass darauf bis auf ein paar „mir rein unverständlichen ägyptischen Hieroglyphen“ nichts stand. Ja, Genies können es eben auch so.
Zweieinhalb Stunden erstes Abschlusskonzert. 150 Minuten ausgeloteter Klang und ein freudiges Musizieren miteinander. Zerbrechliches Beben hier, schwelgerischer Ausdruck dort. Es war wieder ein schönes Konzerterlebnis.
Barbara Kaiser – 27. Juli 2024