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Eine Begegnung mit Wiebke Vielhauer  –  erste Pröpstin in Uelzen

Zu ihrem diesjährigen Geburtstag im August könnte sich Wiebke Vielhauer einen Strauß Erika gepflückt haben. Fast geniert sie sich ein bisschen, dass sie die Farbe Lila so faszinierend findet. Aber beim Stichwort „Heide“ kommt sie ins Schwärmen. Auch deshalb ist sie zurückgekommen; aus der Gegend um das Weserbergland in die alte Heimat. In den Kirchenkreis Uelzen – als Pröpstin. Sie ist die erste Frau in diesem Amt hier.
Die Frauen hatten es mit der Kirche immer schwer: Sie wurden als Hexen verbrannt oder als Heilige verehrt. Das ist beides anstrengend. Im vergangenen Juni verweigerten sich erneut drei Bischöfe und ein Kardinal einer vorsichtig eingeschlagenen Reformbewegung, was ihnen einen offenen Brief und Protest einbrachte, sie aber eher nicht anfocht.
Wiebke Vielhauer ist von einer wunderbaren Offenheit. Wie sie auf den unbekannten Gesprächspartner zugeht, überzeugt und erfreut einen. Als wir uns nach eineinhalb Stunden und einer gemeinsam geleerten Flasche Wasser verabschieden, habe ich das Gefühl, eine Frau getroffen zu haben, die sich zwar auf einem ganz anderen Gebiet bewegt, mit der Übereinstimmung aber möglich ist. Weil es nämlich um Grundsätze des Zusammenlebens geht. So sagt sie beispielweise: „Ich mag es, wenn es harmonisch zugeht, aber Glattbügeln ist nicht meins.“ Sie wird die Diskussion also nicht fürchten, denn: „Womit ich schlecht zurechtkomme ist, dass einer denkt, alle müssten seine Linie richtig finden und verfolgen.“ Die neue Pröpstin wird auf Verständigung setzen, aber sie wird auch „mal in Frage stellen, was man für ‚normal‘ hält.“ Für sie gilt der Grundsatz, man müsse sich in dieser Gegenwart kein eigenes Bild mehr machen, wo so viele Bilder gesendet werden, nicht.
Geboren im Jahr 1970 in einem Forsthaus in der Göhrde, macht das Mädchen Wiebke in Bad Bevensen das Abitur. In ihrer Familie gibt es zwar, wie sie sagt, jede Menge Kirchenvorstandsmitglieder, jedoch keine Hauptamtlichen. Der Vater ist Förster, die Mutter Grundschullehrerin. Trotzdem folgt für den Teenager das Studium der Theologie in Hamburg, Wien und Göttingen. Im Jahr 1999 wird sie Vikarin (Lingen und Loccum). Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes musste Konrad von Tecklenburg-Schwerin im Jahr 1548 Lingen an Kaiser Karl V. abtreten. Dadurch wurde Lingen wieder katholisch. Wiebke Vielhauer hat sich bewusst für diese katholische Gegend entschieden um herauszufinden, „was sich verändert, wenn meine Kirche nicht die Mehrheit stellt.“ Das habe ja auch ein Ergebnis: Man müsse sich darüber klar werden, was man tut.
Ihre erste Pastorenstelle tritt sie für acht Jahre bei Alfeld an. Danach wird sie 14 Jahre lang im Landkreis Göttingen tätig sein, dort ist sie auch stellvertretende Superintendentin. Die Tätigkeit in der Propstei Uelzen ist erst die dritte Stelle der 53-Jährigen. Zwölf Jahre lang kann sie die noch ausfüllen; mit einem Kirchenleben, für das sie für sich die Maßstäbe Offenheit, Austausch, Vernetzung und Kontaktflächen in die Zivilgesellschaft hinein ausmacht. Sie wolle „andere hereinlassen und auch hinausgehen“, weil Wiebke Vielhauer davon überzeugt ist, dass es für eine „Gesellschaft sinnvoll ist, eine interreligiöse Begegnung zu ermöglichen.“ Weil man nur ablehnt, was man nicht kennt.
Zukunftsfähigkeit ist nur möglich, wenn man sich breit aufstellt, weiß die Pröpstin auch mit Blick auf die Kirchenvorstandswahlen im Jahr 2024. Ehrenamtliches Engagement über eine längere Zeit – immerhin sechs Jahre Wahlperiode – sei nicht mehr selbstverständlich, auch für die Kirche nicht. Und eine heterogene Gruppe (= Kirchenvorstand) ins Gespräch miteinander zu bringen, ist immer eine Herausforderung. Vielhauer bewegt sich auch in den (so genannten) sozialen Medien. Für sie steht die Frage im Vordergrund: Ist das Ziel Verständigung? Manchmal habe sie diesen Eindruck nicht, obwohl „social media“ ja eigentlich als Demokratisierung der Debatten gedacht war, sich leider jedoch immer mehr zu einem Forum der Auslassungen der Unlust und des Unmuts entwickelte. Des Hasses auch. Es geschah keine Ermächtigung des Denkens, kein kognitiver Gewinn – nur Shitstorm. Man kann dem nur immer wieder Kluges entgegensetzen. Ob es allerdings funktionieren wird?
Wiebke Vielhauer will darüber nachdenken und diskutieren, wie Kirche einladender werden kann; dass diese Institution vor großen Veränderungen steht, ist unbestritten. Bisher hat die Gemeindepastorin Vielhauer die Menschen spirituell begleitet. Bei Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Tod. „Das sind Sachen, die liegen mir sehr“, sagt sie, „weil Menschen an Übergängen erfahren sollen, dass sie die Veränderungen nicht alleine gehen.“ Sie treffe Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, mit anderen Interessen und Leidenschaften. „Denen würde ich auf Instagram nie begegnen!“
Wer glaubt, flieht nicht, heißt es bei Jesaja. Wiebke Vielhauer freut sich sehr auf ihre neue Aufgabe. Sie wird ihr viel Kraft abverlangen, manchen Kompromiss auch und die Fähigkeit, zu befrieden. Dieser selbstbewussten Frau traut man zu, dass sie es schaffen wird. Die 53-Jährige, die Puccini mag – „Ich mag Drama, wenn’s nicht meins ist!“ –, die bevorzugt Krimis liest, die über Wien ins Schwärmen kommt und: Die die Farbe Lila und auf diese Art blühende Flächen liebt. Seit ihrer Kindheit. Willkommen in der Heide!

Barbara Kaiser – 6. September 2023

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