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Der Schreibtisch von…

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Matthias Bormann, Leiter der JVA Uelzen

Wenn Matthias Bormann morgens in die Büroetage kommt, führt ihn sein erster Weg in die kleine Küche. Mit einem frischgebrühten Kaffee geht er weiter in sein Büro. Ein Schreibtisch, ein kleiner Besprechungstisch, eine große Fensterfront, die den Blick in den Hof freigibt. PC hochfahren, neue Akten sichten, Mails und Anfragen lesen. Meist folgen dann Besprechungen, Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen … Ein ganz normaler Tag, wie ihn zig Menschen in Führungspositionen so oder so ähnlich starten. Nur: Wenn Matthias Bormann morgens das Gebäude betritt, betritt er es durch eine hoch gesicherte Pforte. Und ohne das Dazutun des Schließdienstes an dieser Pforte, könnte selbst der Chef das Haus nicht betreten – oder verlassen.
Seit Februar ist der Diplom-Psychologe Leiter der Justizvollzugsanstalt Uelzen. Möglicherweise macht sich spontan bei einigen ein Gefühl der Beklemmung bemerkbar, wenn sie an die JVA denken. Ein Knast. Türen, die laut ins Schloss fallen. Vergitterte Fenster. Tagtäglich umgeben von rund 300 Menschen, die nach einer mehr oder minder schweren Straftat hier leben, lernen, arbeiten, schlafen. Gefangene sind. Matthias Bormann lehnt sich in seinem Stuhl zurück: „Das Wegsperrgeschäft ist meine Berufung“. Das mag lapidar klingen. Ist aber seine Überzeugung.

Der 59-Jährige hat früh und ganz bewusst die Entscheidung getroffen, „in den „Knast“ zu gehen. Bereits während seines Psychologiestudiums engagierte er sich in der Gefangenenfürsorge. Ein Praktikum in Santa Fu, der Justizvollzugsanstalt in Hamburg/Fuhlsbüttel, die Diplomarbeit über Täterpersönlichkeiten bei Kindesmissbrauch, dann als Psychologe im Vollzug. Das war 1992. Und seine erste Station war bereits Uelzen. Naheliegend – für den Lüneburger Bormann. Es folgte ein kurzes Intermezzo in Neustrelitz, dann, 2000, wieder Uelzen. Er übernahm die stellvertretende JVA-Leitung, nachdem ein Gefangener 1999 zwei JVA-Angestellte getötet und weitere verletzt hatte. 2003 ging es weiter nach Hannover, wo Bormann mit 39 Jahren als jüngster Anstaltsleiter Niedersachsens die JVA übernahm. „Mein Wohnsitz ist Lüneburg geblieben. Ich pendelte tagtäglich hin und her. Und nun bin ich wieder in der Nähe“.

Die räumliche Nähe ermöglicht ihm etwas mehr Zeit für seine Familie und seine Hobbys: Tanzen, Motocross auf dem Uhlenköper-Ring oder lesen. Krimis. Das sei wichtig als Ausgleich. Wenngleich er seine Arbeit ausgesprochen gern mache. „Ich habe Glück gehabt im Berufsleben“, sagt Bormann, „ich darf Verantwortung – auch für die Gesellschaft – übernehmen, Entscheidungen treffen, ich kann mit Menschen arbeiten und sie dabei unterstützen, eine Zukunft zu gestalten“. Sicherlich sind dabei seine psychologischen Kenntnisse hilfreich. „Ich möchte, dass sie aus ihrem Fehlverhalten lernen. Ich bin sehr für eine 2. und vielleicht sogar 3. Chance, damit Menschen straffrei leben können“. Das sei möglich. Davon ist der JVA-Chef überzeugt. Fern von Idealismus oder Zweckoptimismus. „Hilfe zur Selbsthilfe. Das klingt abgedroschen, ist aber meine Richtlinie. Wir zeigen Chancen und Wege auf. Ergreifen müssen die Gefangenen sie selbst“.
Neben PC, Telefon und Akten finden sich auf dem Schreibtisch bunte Figuren. Kleine Glücksbringer. An der Wand zwei große, etwas düstere Bilder – von einem Hannoveraner Künstler und einem Maler aus Südamerika. Und direkt neben dem Schreibtisch hängen zwei gerahmte Zeichnungen von seinen Kindern. Die eine zeigt Lucky Luke, der gerade einen Schurken verhaftet. Die andere ist ein kleines Blatt mit Buntstift-Farbflächen. „Das soll ein Gefängnis darstellen“, schmunzelt Bormann. In der Vorstellung seines Sohnes offenbar ein freundlicher Ort. So sieht Bormann es auch: „Ich bin einfach gerne im Gefängnis“. Wünschen würde er sich allerdings einen höheren Betreuungsschlüssel für die Gefangenen und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft, um Menschen eine 2. Chance zu geben. „Dafür arbeiten wir hier“, sagt Bormann.

[Kathrin Marie Arlt]

Was darf auf meinem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Der Kaffee, aktuelle Akten und meine Lesebrille.

Mein Schreibtisch ist für mich…
… ein Ort der Arbeit – und der Ruhe

Wenn ich einen Wunsch frei hätte: Was müsste auf meinem Schreibtisch zu finden sein?
Eigentlich habe ich alles, was ich brauche, hier.

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