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„Guckt doch genau hin!“

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Ina Robert stellt in der BBK-Galerie Oldenstadt aus/Vernissage Samstag, 1. April 2023

Es gibt ja nichts, was es nicht schon  gab. So stellte zum Beispiel im Jahr 1999 Georg Helten im Langhaus Oldenstadt seine Skulpturen aus, die er aus Schrottteilen komponierte. Diese Ausstellung war eine außerordentlich witzige Angelegenheit. Oder: Die Malerin Anna Susanne Jahn, frühere BBK-Vorsitzende, die von Hamerstorf nach Amrum zog, sammelt am Strand alles Mögliche auf und macht es zu Modellen für reizende Aquarelle. Was ihre kleine Tochter Mareike dazu veranlasste zu verkünden: „Mama malt Müll!“

Ab Samstag ist in der Galerie in Oldenstadt eine Ausstellung zu sehen, die sich auch diesem Sujet verschreibt: Ina Robert gestaltet ebenfalls aus Fundstücken. Allerdings ist die Tendenz seit dem genannten Jahr 1999 eindeutig fallend, was das Fröhliche angeht. Ina Roberts Arbeiten entlassen den Betrachter nachdenklich, ratlos, wütend auch. Präsentiert werden dystopische Bilder und Installationen – die dem Zustand dieser Welt entsprechen. 

Die Künstlerin vor dem Bild „So schön der Strand“

 

 

 

Obgleich Ina Robert der Frage, ob es eine pessimistische Ausstellung sei, widerspricht: „Das mag sein. In einer Beziehung jedoch bin ich optimistisch, indem ich denke, die Welt wird überleben, die Menschen nicht.“

Natürlich lebe sie auch gerne, sagt Robert, und ich möchte den Leuten eigentlich nur sagen: Guckt doch genau hin! Man könnte dieses Credo eins zu eins den Entscheidern dieser Stadt ins Stammbuch schreiben! Während anderswo Flächen neu begrünt, entsiegelt und gepflegt werden, wird in Uelzen gebaut, zugepflastert, abgeholzt. Gebaut offenbar inzwischen auch gegen den erklärten Willen der Stadtteil-Ortsräte. Ob das mit der Demokratie so gedacht war?

„Am Ende des Regenbogens“ – der leere Schatztopf

 

 

 

Aber das wäre ein anderes Thema. Angesichts der Werke von Ina Robert fällt es einem aber ein. Robert ist Jahrgang 1958. Sie wurde in Hamburg geboren, ging dort zur Schule (Abitur) und studierte an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg „Visuelle Kommunikation“. „Das Studium hat mein ganzes Leben geprägt“, ist sich die 64-Jährige sicher. Denn an der Hochschule standen ihr alle Werkstätten offen. Und so hat sie die Fotografie genauso kennengelernt wie die Typografie, Grafik, Repro und Buchbinderei. Sie machte Bühnenbilderfahrungen durch die Arbeit am Theater und knüpfte schon als Studentin Kontakte zu Museen, wo sie museumspädagogisch tätig war. Für historische Rollenspiele entwarf und baute sie die Räume. Die interdisziplinäre Arbeit mit Wissenschaftlern war eine kostbare Erfahrung.

„Am Haken“ – Fisch an Angelsehnen hängend

Nach dem Studium gründete Ina Robert mit einem Kommilitonen eine Ateliergemeinschaft, in der sie Ausstellungen für Museen entwickelten. Deutschlandweit. Ab 2013 arbeitete Robert als Referentin Marketing und Kommunikation an der Leuphana-Universität in Lüneburg. Seit 2022 ist sie im Ruhestand, Mitglied des BBK Uelzen und „in der freien Kunst unterwegs“, wie sie sagt. Mit dieser Ausstellung stellt sie sich hier vor.

„Ich finde dauernd Sachen, die mich anziehen“, sagt Ina Robert, „eigentlich haben die keinen Wert mehr. Sie sind auch Zeichen der Ignoranz: vom Menschen gemacht, gebraucht, entsorgt.“ Aber die Künstlerin hat auch ein Auge auf das, worauf wir rumtrampeln: Sie fotografiert auf den Straßen plattgefahrene Kröten. Die skelettierten Überreste eines kleinen Vogels fand sie auf einer Rathaustreppe! Ein erschütterndes Abbild davon, wie der Mensch die Natur behandelt.

„Dose“ – in Lehm eingelassen

Wie geht die „Finderin“ nun mit ihren Schätzen um? Sie trägt nach Hause, was sie ästhetisch reizt und schafft dort ein Umfeld für diese Stücke. So lässt sie eine zertretene Getränkedose beispielsweise in Lehm ein, weil die Oberfläche des gefalteten Blechs an eine Erdoberfläche erinnert. Nebenbei: Man möchte den Wegwerfer gerne fragen, ob er vom Dosenpfand gehört hat. Oder hat er zu viel Geld?

Am meisten beeindruckend sind die Arbeiten, die das Meer zum Thema haben. „So schön der Strand“ zum Beispiel: Eine blaue Plane mit all den Abfällen bestückt, die unsere Ozeane ausspucken; wir aber machen die Augen zu beim Sonnenbaden… Folgerichtig heißt ein Knäuel aus Fischernetzen, in dem sich Muscheln, Plastik und sogar ein Knochen verfangen haben „Im Strudel der Gier“. Das ist bittere Wahrheit, da ist das Augenzwinkern, mit dem Ina Robert auch arbeiten möchte, nicht angebracht. Haben doch zu viele die Dollarzeichen in den Augen. Das Augenzwinkern kann man angesichts „Am Ende des Regenbogens“ mitdenken. Auf dem Bild, allerdings nicht in den Farbstreifen des gebrochenen Lichts, klebt ein alter verrosteter Topf. Jeder kennt die Sage, dass dort, wo der Regenbogen die Erde berührt, ein Schatz verborgen sein soll. Der Schatztopf bei Robert allerdings ist kaputt, obgleich er innen noch golden glänzt. Den Reichtum haben sich schon lange andere geholt. Jeff Bezos vielleicht. Elon Musk, Jack Dorsey – oder wie sie alle heißen, die kein Maß mehr kennen.

„Im Strudel der Gier“ – die schlimmste Geißel der Meere

„Wie die Dinge liegen“ nennt Ina Robert ihre Ausstellung. Es ist schlimm, dass man nur heftig dazu nicken kann. Vielleicht sind die Arbeiten auch ein wenig Agenda-Kunst, aber sie sezieren und zeigen – was verstörend genug ist. Und manchmal wohnt in ihnen eine Verlorenheit, für die es keinen Begriff gibt, der trösten könnte. Weil die apokalyptischen Reiter der Gegenwart immer noch Krieg, Hunger und Tod heißen, aber im Gegensatz zur theologischen Deutung wissen wir heute, dass die sich aus menschlicher (Macht)Gier, Skrupellosigkeit, Ignoranz und Dummheit speisen und zu Krieg, Hunger und Tod noch die Klimakatastrophe summieren.

Es ist keine Ausstellung zum Freuen, die Ina Robert da zeigt. Aber es ist eine zum Nachdenken, Erschrecken und vielleicht – sich Besinnen.

Vernissage ist am Samstag, 01. April 2023, um 17 Uhr. Geöffnet ist am Sonntag, 02. April 2023, und am Wochenende nach Ostern, 15. und 16. April 2023, jeweils 12 bis 18 Uhr.

Barbara Kaiser – 30. März 2023

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