Viertes St.-Marien-Sommerkonzert mit Saxophon und Orgel
Der Titel dieses St.-Marien-Sommerkonzerts erkläre sich ganz leicht, moderiert Andreas Gärtner diese Musikstunde an: Weder die Orgel noch das Saxophon kämen ohne Wind aus. In einem Fall der Atem des Spielers, im anderen Fall der (glücklicherweise inzwischen) elektrische Blasebalg. Saxophon und Orgel sind dennoch eine ungleiche Paarung. Was eine Orgel kann, weiß jeder. Sie stellt zwischen zartem Glockenspiel und Donars Donner alles. Ein Saxophon ist jedoch genauso wenig zu verachten; besitzt es doch die Fähigkeit zu schluchzen, zu spotten, zu schmachten. Was aber leisten Orgel und Saxophon im Duett? Dass die zusammengehen können, erlebten die zahlreich erschienenen Zuhörer in Uelzens Hauptkirche im vvierten Sommerkonzert.
Wer bei der Instrumenten-Paarung einen Mix von Sakralem und Meditation erwartet hatte, lag nicht völlig daneben. Dass es ganz anders auch geht, hatten vor circa zehn Jahren Frank Lunte und Henning Münther einmal vorgeführt. Die Anlage des Programms der Gäste aus Hamburg jetzt war eine andere. Schünemann und Gärtner sind das erste Mal in Uelzen; Kantor Erik Matz nannte die Begegnung deshalb auch „Blind Date“. Man weiß nie, was man kriegt…
Das Zusammenspiel des Organisten und der Saxophonistin passierte auf den Punkt. Mit sicheren und seidenweichen Ansätzen bläst Cornelia Schünemann ihr Instrument, die Ansätze sind ohne Fehl, frisch, transparent und elegant. Die Orgel spielt sich bei Andreas Gärtner nie als kapriziöse Königin auf. Das Programm vereinte Barocknoten, Zeitgenössisches und Eigenkompositionen. Da war gleich zu Beginn ein Rondeau von Jean-Josephe Mouret – das hatte einen Hauch von Marseillaise! Dabei konnte der Komponist noch nichts wissen vom Sturm auf die Bastille. Das Largo religioso von Francesco Durante erklang schwebend, wie ein Gebet. Beide Tonsetzer waren nahezu aufs Jahr genau Bachzeitgenossen, wobei sich Durante zum Lebensziel gemacht hatte, das Werk Palestrinas zu erhalten und zu pflegen.
Wohl, weil es in die Zeit passt, spielte das Saxophon danach eine ukrainische Melodie von Myroslav Skoryk (1938 bis 2020). Voller Wehmut, aber eine harmonische Angelegenheit. Ganz anders das Lied von Volodymyr Ivansyuk (1949 bis 1979) aus dem Jahr 1968. Sieht man davon ab, dass damals die Sowjetunion noch bestand und Kiew die Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik war, ist dieses Schlagerlied, interpretiert von der Sängerin Soviya Rotaru und nicht nur von ihr, eine erfolgreiche Nummer: Hell, optimistisch, synkopisch, eingängig.
Aufhorchen ließ ebenfalls das Ave Maria von Camille Saint-Saëns. Die Eigenkompositionen und die Improvisation auf der Orgel durch Andreas Gärtner waren schwerer zu durchschauen, fehlte ihnen doch ein musikalisches Thema, an dem sich der Zuhörer hätte entlang hangeln können. – Der letzten Nummer, „Sunrise, sunset“ aus dem Musical „Anatevka“ von Jerry Bock, lieh Cornelia Schünemann ihre Vokalstimme. Die war ein schöner, heller, überzeugender Sopran. Dass sie daneben auch das Saxophon blies, war atemtechnische Leistung!
So blieben die 60 Minuten mit den Hamburger Gästen eher stille Konzertstunde. In einer Woche ist die Organistin Merle Hillmer zu Gast und spielt Orgelmusik aus fünf Jahrhundert. Das wird mit Sicherheit bombastischer, farbenreicher und quirliger. Samstag, 30. Juli 2022, 16.45 Uhr, St. Marien.