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Mit Fröhlichkeit und Charisma

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Zweiten Akademiekonzert mit Noten von Clara Schumann, Franz Schubert und Johannes Brahms

Wo sollte man anfangen mit der Preisung eines Konzertabends, der am Ende bejubelt wurde? Sollte man zuerst die Dozenten loben – schließlich waren sie es, die ihre Schützlinge auf solch ein musikalisches Niveau hoben. Oder muss man den Studenten*innen huldigen, die den Mut, die Anstrengung und die Fähigkeit aufbrachten, diese Partituren aufzuführen. Vielleicht hangelt man sich am Programmzettel entlang und versucht, ein musikalisches Ereignis zu reportieren, obwohl man Musik nicht beschreiben kann. Ein kluger Mann hatte einmal gesagt, wenn man über Musik nachdenke – also auch nach-schreibe – ist die akademischer Quark.

Das zweite Akademiekonzert der Sommerakademie war alles andere als akademischer Quark und begann mit Clara Schumann und deren Klaviertrio g-moll op.1,3; „…wenngleich es mit Spannkraft und Aussage mit den Trios ihres Mannes nicht zu vergleichen ist.“ Schreibt der Kammermusikführer. Das kann nur männliche Arroganz die Feder geführt haben. Und warum Clara ihr Licht in der Beurteilung ihres Werkes später selber so unter den Scheffel stellte, weiß auch keiner: „Aber natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an der Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt“, schrieb sie. Da hat weibliches Selbstbewusstsein in 150 Jahren aber doch einen ganz schönen Schub bekommen. Was nötig war und gut ist!

Für das Klaviertrio strichen Yurichiro Haruno (19/Japan), Friederike Peters (18/Dt.) und Sara Ferreira (24/Portugal) die Violine. Lara Sauermann (28/Frankreich) saß am Flügel und Dozent Mark Schumann am Violoncello. Die Partitur ist eine gleichberechtigte Angelegenheit der Instrumente, es ist ein Werk der klaren Streicherkantilenen, die zwischen zunächst sicherheitsbedürftig zaghaft, später in schöner Phrasierung (Scherzo) und einem Strich voller Sehnsucht und großer Meisterschaft im Publikum ankam. Was für eine Intensität! Die Pianistin beherrschte die parlierende Rhetorik der Spieler, und am Ende hatten alle den langen Atem und die tiefe Einfühlung, die es brauchte.

Danach mochte man sich die Augen reiben oder die Ohren putzen: Die Dozenten Hinrich Alpers und Erik Schumann interpretierten Franz Schuberts Rondo h-moll für Violine und Klavier (D895). Das Stück trägt den Beinamen „Rondo brillant“ – das Publikum dürfte begriffen haben, warum. Es war die Entdeckung des Abends, glaubte man doch, einen Liszt oder Sarasate zu hören. Was für ein laut-fröhlicher Schubert, weit entfernt von finsterer Lindenbaum-Düsternis. Die zwei Instrumentalisten wagten die Dramatik, brachten Farbe bis ins Grelle zum Leuchten, wühlten die romantische Glätte auf. Es war eine hochtourige Sache und das Publikum war völlig zu Recht begeistert.

Nach der Pause das Klavierquartett g-moll op. 25 von Johannes Brahms. Die vier Sätze der Violine teilten sich Mok Ryeon Cho (23/Südkorea), Palina Pratasouskaja (22/Belarus), Sofia Vinkel (21/Estland) und Yejon Kim (17/Südkorea). Unterstützt wurden sie von den Dozenten Carolin Frick (Viola), Mark Schumann (Violoncello) und Hinrich Alpers (Klavier).

Trotz hoher Grundaktivität war die Kommunikation der Quartettmitglieder zu jeder Zeit erkennbar, die Darbietung lebte von einer Balance zwischen opulentem Klang und sorgsam ausgehörten Detail. Und das Allerbeste: Dem Musizieren war leere Effekthascherei und lautstarke Selbstbezüglichkeit fremd. Was für ein charismatischer Ausflug in die Musikliteratur. Die in anderen Aufführungen manchmal zu beklagende Klavierdominanz (schließlich ist es ein Klavierquartett) fand hier nicht statt, die Rede und Gegenrede zwischen dunklem Kopfsatz und kantablem Gegenthema wurde schön demonstriert. Naja, und der vierte Satz, das Presto des Rondo alla Zingarese war ein Taumel der Ausdrucksmusik. Man vergaß das Luftschöpfen. Das Klavier durfte sich hier einmal als Erster unter Gleichen profilieren. Und doch war dieses Renommierstück keine besinnungslose Zurschaustellung der eigenen Einzelfähigkeit. Bravo!

Barbara Kaiser – 09. August 2023

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