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Drei Bäche, vier Flüsse

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Erik Matz an der Orgel

Erik Matz saß für das fünfte St.-Marien-Sommerkonzert an der Orgel

Das Thema dieses Konzerts, „Von Bächen und Flüssen“, war keineswegs rein hydrologisch zu verstehen, also keine ausschließlich feuchte Angelegenheit, obwohl es tropfte, perlte, strudelte, strömte und rauschte. Denn wenn man, wie Erik Matz, drei Mal den Namen „Bach“ auf dem Zettel hat, dann handelt es sich natürlich um die berühmte Thüringer Familie. Von dessen Vater kein Geringerer als Beethoven später den überwältigenden (und strapazierten) Spruch tätigte: „Nicht Bach, Meer sollte er heißen“.

Es ging also mit Bach los, das schon fünfte St.-Marien-Sommerkonzert. Kantor Erik Matz saß an der großen Orgel für Carl Philipp Emanuel Bach und dessen Fantasie und Fuge c-moll, WQ 119 Nr. 7 H 103. Dabei hielt der Instrumentalist die Stimmen schön mithörbar. Gut, es ist ja „nur“ der Sohn, beim Vater ist das oft genug schwieriger, weil unendlich komplizierter. Aber ganz gleich welchen Vornamens, der Name Bach ist immer etwas zum Entspannen.

Vater Johann Sebastian begab sich danach an die Wasserflüsse Babylon (BWV 653). „Da saßen wir mit Schmerzen“ heißt es im Choral aus der Reformationszeit, die Musik selber war eher Meditation. Babylon, das wir zuerst mit dem verunglückten Turmbau verbinden, der uns die Sprachverwirrung einbrachte. Aber die Stadt lag am Euphrat, und das Zweistromland zwischen ihm und dem Tigris ist eine kulturelle Wiege der Menschheit.

Publikum Konzert St- Marien Kirche Uelzen

Erik Matz führte die  Noten besinnlich aus, schlicht und ruhig. Er blieb auch im zügig-aufgeräumten Choralvorspiel „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“ (BWV 684) übersichtlich und umsichtig in seiner Intonation. Glanzvoller wurde es mit Louis Vièrne und dessen „Pièces de Fantaisie Nr. 3 op. 54: Sur le rhin (Auf dem Rhein). Mit den Anfangsakkorden entstand vorm geistigen Auge der mächtige Strom, der majestätisch fließt und auch bedrohlich werden kann. Diese Noten sind  hochromantischer Bombast. Trotzdem keine Lorelei, nirgends. Mit einem gewaltigen Fortissimo wehrt sich der Fluss am Ende gegen seine Mündung in die Nordsee. Nützt aber nichts.

Danach wurde es herzhaft-fröhlich und licht. Es erklang in schöner Beweglichkeit „An der Weser“. Gedichtet 1835 von Franz von Dingelstedt (1814 bis 1881), wurde es von Gustav Pressel vertont. Das Lied ist eins dieser melancholischen Naturlyriken, die man jedoch durchaus auch als Trauer über die gescheiterten Reformbewegungen in den deutschen Landen lesen könnte. Als die Urburschenschaft, die sich mit ihrem Wartburgfest 1817 als fortschrittliche Avantgarde einer Nationalbewegung sah, verboten wurde (1819), entstanden ähnliche Reime über Verluste. Auf jeden Fall  jedoch besitzt das Weserlied eine eingängige Melodie, der Text weint verlorenen Träumen (nur von Liebe?) nach.

Als unbestrittener witzigster wie einfallsreicher Glanzpunkt des abwechslungsreichen Programms kann Matz` „Improvisation mit dem Titel: Paul Gerhardt macht auf der Moldau eine Bootstour“ gelten. Da plätschert die Moldau, wie sich das Bedřich Smetana erdachte. Matz verwendet von den neun Themen zwei, das Anfangsmotiv und das der Hochzeit. Die Orgel gurgelt also und breitet das große Wasser vor uns aus. Daraus erhebt sich „Geh aus, mein Herz“. Und diese beiden musikalischen Supermotive umschlingen sich, mäandern und werfen sich die Fortsetzung zu, dass es eine Freude ist. Dieser Erik Matz war mein absoluter Favorit!

Zum Abschluss der 60 Konzertminuten huldigte der Organist mit Johann Strauß der „Schönen, blauen Donau“, einem der bekanntesten Walzer des Wieners, wechselt also in den unwiderstehlichen Dreivierteltakt. Introduktion, ein Hauch Leierkasten und dann volle Dröhnung Seligkeit. Vielleicht war es ein bisschen viel des Ritardando, weniger wäre mehr gewesen, dafür vielleicht mehr Rausch! Wenn Matz sich verhaspelte, überspielte er es routiniert, und das Publikum fand sowieso: War doch mal was anderes! Das war es ohne Zweifel.

Am Samstag, 05. August 2023, ist Annika Köllner zu Gast. Sie bringt dann Videospiel- und Filmmusik auf die Manuale und Pedale. Darf man gespannt sein.

Barbara Kaiser – 31. Juli 2023

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