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It's Trumann

Bemerkungen

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„Wann spielt Liverpool?“ rief mir auf dem Herzogenplatz, dem „Platz der Kinderrechte“, ein Knabe entgegen, der dort mit seinen Kameraden bolzte. „Sie sehen aus wie Jürgen Klopp!“, erklärte er, wie er darauf kam, mich zu fragen. Jürgen heiße ich immerhin. Mit Fußball habe ich aber wenig im Sinn und konnte ihm die gewünschte Auskunft nicht geben.
„Sind Sie Herr Lauterbach?“, fragte ein anderes Mal ein mit wind- und wetterbeständigen Locken gesegneter Junge vorm Eis-Café, nachdem ich mich nach dem Grund für seine aufmerksamen Blicke erkundigt hatte. Ich musste verneinen – hatte allerdings schon bemerkt, dass es wieder Zeit wäre für einen Friseurbesuch, weil der Wind mir, wohl ähnlich wie jenem, seit Tagen den Scheitel streitig machte.

„Bist du im Stress?“, fragte eine Kollegin – was, bei meiner Work-Life-Balance und des geschenkten Seelen-Heils wegen, ein außergewöhnlicher Zustand sein müsste. Doch in ihrer Stimme lag Mitgefühl. „Nur müde“, konnte ich erwidern. „Geht´s dir gut?“ erkundigte sich abends der junge Mann hinterm Tresen, als ich statt des üblichen Kaffees ein Bier bestellte. Sehr aufmerksam. Aber keine Sorge, dass ich Sorgen fortzuspülen und mich zu betäuben gedachte. „Gestern war dein Bart noch länger“, stellte ein Kumpan, ein Flüssigbrotgenosse, beim Wiedersehen fest. Eine Bemerkung, also eine Aufmerksamkeit, die ich eher von Frauen kenne und an dieser und seiner Stelle nicht erwartet hatte.

„Sind sie ein Schreiber?“ fragte unlängst ein Mädchen aus der Nachbarschaft, sein Spiel mit der kleinen Schwester unterbrechend, und verlangte, als ich bejahte, „eine Unterschrift“, ein Autogramm von mir. Wie es auf diese, von den bisherigen Bemerkungen am wenigsten abwegige Frage und ihre ungewöhnliche Bitte kam, vergaß ich zu fragen.

Bemerkenswert fand ich: Keine dieser Bemerkungen waren Sticheleien. Spitze!

Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang auch eine Prophetie Jesajas und „spitze“, wenn sie im Alltag, bei der Arbeit oder auf der Straße, mehr Wirklichkeit würde: „… jeder wird sein wie eine Zuflucht vor dem Wind und wie ein Schutz vor dem Wolkenbruch … Und die Augen der Sehenden werden nicht mehr verklebt sein, und die Ohren der Hörenden werden aufmerksam sein.“

„Guten Morgen!“, hörte ich kürzlich eine Servicekraft in der Kantine grüßen. Ich wandte mich ihr zu und bekannte, dass es in der Tat nicht fair von mir sei, dem Kaffeeautomaten mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als jener, die ihn betriebsbereit gemacht hatte.

[Jürgen Trumann]

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