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Zum Abschied – Propst Jörg Hagen geht in Ruhestand und zieht nach Lüneburg

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Amtsbruder Professor Heinrich Fink sagte einmal, dass die Gabe des miteinander reden Könnens „ein großes Geschenk Gottes als Chance für Gewaltvermeidung zwischen Staaten aber auch für Menschen im Alltag“ sei. Das schließt die nicht alltägliche Gabe des zuhören Könnens ein. Jörg Hagen kann zuhören und ist obendrein ein wundervoller Gesprächspartner. Das war mir schon aufgefallen, als ich ihn für die AZ-Reihe „Lesen“ besuchte (2011). Jetzt geht Uelzens Propst in den Ruhestand. Ich durfte wieder bei ihm Kaffee trinken und über die zwölf Jahre reden, in denen er in der Propstei an der St.-Marien-Kirche sein Domizil hatte.

Als Hagen, der bis dahin Pastor in Osnabrück war, nach Uelzen kam, fand er schwierige Verhältnisse vor. Sein Vorgänger hatte das Amt zuschanden geritten, es war viel Vertrauen verloren gegangen, es gab Streit. Die Überlegung, ob ihm so ein „Leitungsjob“ gut tue, beantwortete Jörg Hagen aber für sich in dem Sinne, dass man am Ende im Kirchenkreis Uelzen, zu dem 27 Kirchengemeinden gehören, froh war, einen wie ihn als Propst bekommen zu haben. Er ist immer ein Mann des Ausgleichs gewesen. Er habe gute Arbeitsbedingungen vorgefunden, resümiert Hagen trotzdem, innerkirchlich wie außerkirchlich. Und: „Es gab eine gute Dialogbereitschaft.“ Und weil das so war, und weil Jörg Hagens Auffassung von Administration eine ist, bei der Autorität vor allem als Impulskraft verstanden wird, als Ideengebung und Ermunterung, ist schon lange wieder Ruhe eingekehrt, nach „der schwierigen Situation“ damals. 

Man könne Propst ja mit „p“ oder auch „b“ schreiben, hat mir Hagens Vorvorgänger, Hans-Wilhelm Hube, einmal erklärt: Mit „b“ kommt das Wort von probatus – der sich bewährt hat, mit „p“ von praepositus – der Vorgesetzte. Dazu sagt Jörg Hagen: Das „p“ war nie mein Selbstverständnis, das „b“ wäre für mich passender. Und so wirkte Jörg Hagen, Jahrgang 1957, verheiratet, drei Töchter, inzwischen auch Großvater, in Uelzen. Nach einem Propst mit großer Affinität zum „p“ einer, dem Dialog lieber war. Hagen versucht nie, zu missionieren, er sucht auf Fragen Antworten, gibt sich dabei selbst nicht als den Unanfechtbaren. Sicher ist er sich aber in einem: „In diesen Zeiten ist es keine schlechte Idee, Christ zu sein.“ Vor langer Zeit hat einmal ein Bürgermeisterkandidat dieser Stadt gesagt: „Wir brauchen nicht so viele Gesetze, wir haben die zehn Gebote.“ Er hatte wohl mit dieser Vereinfachung sogar Recht – hielte sich jeder nur an diese biblischen Vorschriften, wäre die Welt schon dadurch eine bessere.

Als Propst ist man der Chef von mehreren 100 Mitarbeitern. Im Kirchenkreis Uelzen sind das 35 Pastoren, zehn/zwölf Diakone, Kirchenmusiker, Verwaltungsangestellte und die in den Kitas, des Friedhofsverbandes und andere. Hagen zeigt sich überzeugt davon, dass die Kirche, „in der ich groß geworden bin, eine andere war als die, aus der ich jetzt in den Ruhestand gehe.“ Außerdem gab es in den 1960er Jahren im Westen Deutschlands 90 Prozent Kirchenmitglieder, heute ist es im wiedervereinten Deutschland vielleicht nur noch die Hälfte. Und die Zahlen schrumpfen weiter.

Jörg Hagen freut sich auf eine Zeit, in der er lesen kann und der Terminkalender nicht mehr so voll ist. Und obwohl im nicht beruflichen Leben der letzten Jahrzehnte nicht allzu viel aufgeschoben wurde mit Blick auf die Pension, träumt er noch von einer Reise nach Südostasien. Vietnam, Laos, Kambodscha. Außerdem hat er ja zwei Enkeltöchter (vier Jahre und sechs Monate alt) und der Buchmarkt der Krimis, die er neben gut recherchierten historischen Büchern bevorzugt, ist voll. Zudem will er sich in Lüneburg, wohin er mit seiner Frau umgezogen ist, in der Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit engagieren. Dort werden Begegnungen geschaffen vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, die heute wichtiger denn je zu sein scheinen. 

Und so freut sich der Propst darauf, aus einem straff getakteten Leben in ein anders eingeteiltes zu kommen. Und: „Die Rechte der Ordination verliert man ja nicht.“ Vielleicht kommt er hier und da nach Uelzen zurück. Hagen sagte auch von der Kanzel nie in barocker Selbstgefälligkeit Dinge, die wie Theaterdonner verhallten, ohne wirklich zu erschüttern. Vielleicht war sein Leitspruch der im Sinne des biblischen Imperativ des Propheten Hosea: Rettet den Menschen, Frieden ist möglich. So hat er hier zwölf Jahre lang in Uelzen gewirkt, weil er anfangs eine große Gemeinde zu befrieden hatte. Was ihm gelungen ist. Er sei ein Segen für die Stadt gewesen, sagte Amtskollege Gerard Minnaard, weil er zugehört und ausgeglichen habe. Viel Gesundheit, weiteren Erkenntnisgewinn und viele gute Krimis für den Ruhestand!    

[Barbara Kaiser]

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