Geschafft!
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13. Internationale Sommerakademie mit grandiosem zweiten Abschlusskonzert beendet
Am Ende gab es – natürlich – den großen Applaus und die unvermeidlichen Dankesworte: An die Dozenten, die Sponsoren, die Helfer, das Publikum. Und an Professor Hinrich Alpers, den künstlerischen Leiter und Erfinder der Veranstaltung. Auch wenn diese Regularien inzwischen viel kürzer gehalten werden als früher, so fühlt man den Zauber zerrinnen, den die zwei Konzertstunden davor imaginiert hatten. Aber sei`s drum, ist halt nötig.
Die 13. Internationale Sommerakademie ist Geschichte, die 14. ist auf den 05. bis 15. August 2023 datiert. Alle reisen wieder nach Hause, es wird aufgeräumt. Was diese Meisterklassen aber ausmachen, trägt man im Geiste, im Herzen und vielleicht auch im Ohr fort. Das zweite Abschlusskonzert im Langhaus Oldenstadt sah einen vollen Saal, insgesamt kamen zu allen Konzerten etwa 700 Zuhörer. Was da von der Bühne klang, war höchste Klasse, Präzision, Empathie, Können und Demut vor der Musik. Machte sprachlos und staunen.
Kurt Tucholskys Annahme, dass Gänsehaut das einzige Kriterium für die Kunst sei, bestätigte sich erneut. Obgleich Gänsehaut angesichts der Temperaturen um die 30 Grad ausblieb. Aber für Wow-Effekte gab es genug Anlässe.
Der Abend begann mit „Allegro maestoso“, was überhaupt die richtige Spielvorschrift für diese Akademie genannt werden kann. Denn in den Konzerten sieht man nichts von der Arbeit, der Mühe, der Verzweiflung manchmal auch, die hinter den bravourösen Vorträgen stecken, da zeigen sich nur Freude und der Stolz auf das Erreichte.
Für das Maestoso saß Jihak Oh (29 – Südkorea) am Flügel mit dem ersten Satz des Klavierkonzerts e-moll op. 11 von Frédéric Chopin. Mit betörender Ausdruckskraft und einem innigen Miteinander mit dem Kammerorchester Wratislavia, schlug er die hohe Messlatte fürs musikalische Niveau ein. Es sei hier versichert, dass keiner der Akteure darunter blieb.
Weder Myra Pranajaya (25 – Indonesien) mit dem Rondo Presto, dem dritten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert Es-Dur, KV 271, noch Kaiyang Hu (13 – China), und schon gar nicht Hanna Kozyak (15 – Ukraine). Mit Lockerheit und Eleganz erklang der Mozart und die Interpretin hielt bei aller Virtuosität, die immer eine Verführung zum Renommieren ist, trotzdem die Temperatur im Zaume. Introduktion und Rondo Capriccioso op. 14 waren danach bei dem jungen Chinesen Kaiyang in den besten Händen. Man fragte sich, wie so kleine Hände die Dreiklänge so rauschend zu umspielen in der Lage waren. Die kaum ältere Hanna spielte ihren Franz Liszt (Tarantella aus: Venezia e Napoli) emotional geladen und romantisch verschlungen in wundervoller Melodik. Da war nirgendwo nur leeres Virtuosentum, sondern auch viel Seele.
Für den dritten Satz, Rondo vivace, des Eingangsklavierkonzerts von Chopin, war Jeongro Park (33 – Südkorea) präpariert. Pointiert und überzeugend schickte er sein Publikum in die Pause. Danach kam die Zeit der Streicher. Friederike Remmel (23 – Deutschland) spielte aus der Partita für Violine solo E-Dur, BWV 1006 „Gavotte en Rondeau“. Der Gavotte war neben der Bourée zu dieser Zeit der Lieblingstanz geworden, die Mode kam aus Frankreich. Bachs Beitrag war eine bunte Formenvielfalt im galanten Stil, was die Solistin in voluminösem Ton und technisch exzellent bewältigte.
Von Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 219 gab es schon beim ersten Abschlusskonzert die Sätze zwei und drei. Weil es so schön war, nun die Wiederholung inklusive Satz eins. Für das Soloinstrument waren vorbereitet Siqi Yu (23 China), Wan-Jo Lin (24 – Taiwan) und Hanna Rosa Emilsson (17 – Deutschland). Der Allegro-Schwung, das fein und traumhaft intim formulierte Adagio und das zupackende, stürmende Menuetto – alles in glasklaren Strukturen. Dazu ein Orchester, das in sensibler Begleitfunktion glänzte. Das Konzert ist voller Kontraste und Schwierigkeiten. Der Vortrag der jungen Frauen jedoch: Atemberaubend. Weiblicher Orpheus fällt einem dazu vielleicht ein, der auch so wunderbar Geige spielte. Was seine Frau Eurydike allerdings nur wenig zu schätzen wusste.
Was bleibt? „Unsere Sponsoren sind Abonnenten“, hatte Dr. Theodor Elster, der Vorsitzende des Vereins Internationale Sommerakademie, stolz berichtet. Das ist in einer kulturloser werdenden Zeiten eine gute Nachricht! Bleiben wird die Erinnerung an hochkompetente und engagierte junge Leute, die gemeinsam musizieren und sich verstehen – ganz gleich, woher sie kommen. Das könnte ein Quäntchen Hoffnung sein in dieser Welt…
Barbara Kaiser – 25. Juli 2022