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Wiederbelebungsanstrengungen

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Raimund Nowak neuer Vorsitzender des Verein des Hundertwasser-Bahnhofs

„Wenig Sinn macht Jammerei“, ist sich Raimund Nowak sicher, als wir uns im neuen Kunstraum des Hundertwasser-Bahnhofs treffen. Seine Einschätzung der vergangenen 23 Jahre ist treffend, seine Vorhaben pragmatisch. Seit die Expo-Idee aus dem Jahr 1993 sieben Jahre später in Gestalt des Hundertwasser-Kunstwerks eingeweiht wurde, war der Niedergang schleichend aber stetig. „Aus dem Push der Eröffnung hat man nicht die richtigen Entscheidungen getroffen“, ist sich Nowak sicher. Und er meint damit den Verein für den bunten Bahnhof, die Stadt und die Deutsche Bahn gleichermaßen. Aber nach nunmehr 30 Jahren müsste man wissen, was geht und was nicht, ergänzt er. Deshalb hat sich Raimund Nowak den Vorsitzenden-Hut des Bahnhofsvereins, der im Jahr 2020 kurz vor der Selbstauflösung stand, aufsetzen lassen. Die damit verbundenen Aufgaben sind immens. 

Geht man durch die Bahnhofshalle, verfestigt sich ein erschreckender Eindruck: Überall Leerstand. Den Kiosk gibt es noch, wo die Leute ihren „Coffee to go“ (Hundertwasser drehte sich im Grabe um angesichts der Umweltsünde) mitnehmen. Der Tabak- und Zeitschriftenladen existiert auch noch. Dass die Bahn das Reisezentrum schloss, darf man unentschuldbar nennen. Als dritter Mieter residiert die Bundespolizei hier. Weil derzeit wegen der Brückenarbeiten (noch bis 2024 – voraussichtlich) der Haupteingang nicht zugänglich ist, wurde der Fußweg aus Richtung Busbahnhof zum Sternviertel durch den Bahnhof gelegt. Immerhin scheint es dort sauber zu sein, offensichtlich war zur Zeit meines Besuches eine kleine Kehrmaschine durch den Tunnel gefahren.

Aber: Einiges wurde bereits angeschoben. Die Olive, die nach 20 Jahren ein jämmerliches Dasein fristete, weil es eben in einer Halle für dieses sonnenverwöhnte Gewächs zu dunkel ist, wurde erneuert. Der Brunnen am Treppenaufgang plätschert wieder munter vor sich hin. Einige Besucher haben ihn für sich als Glücksbrunnen erkoren, denn es liegen Münzen darin. Ist das ein gutes Omen? Am Ende der Halle hat der Kunstraum neu eröffnet. Raimund Nowak organisierte die Ausstellung mit Hundertwassergrafiken. Es gibt Kunstpostkarten, Kalender, Keramik, das Bahnhofsmodell und Fotos von den Umbauarbeiten zu sehen (bzw. zu kaufen). An einem ganz normalen Sonntag im April zählte der Vereinsvorsitzende 220 Besucher; das ist eigentlich sehr vielversprechend. „Reisende und Gäste bekommen Informationen zur Kunst und zur Bauphilosophie Hundertwassers“, sagt Nowak. „Das erwartet man, wenn man in ein Architekturprojekt geht.“

Der neu eingerichtete Kunstraum am Uelzener Hundertwasserbahnhof

Allerdings treibt Raimund Nowak eine Frage um: Macht es Sinn, im ländlichen Raum einen Kulturleuchtturm zu platzieren? Er wischt die eigenen leisen Zweifel aber sofort selbst beiseite: „Es lohnt sich, es noch einmal zu probieren, es ist noch nichts verloren.“ Und natürlich brauche man dringend eine Nutzung für die Räume. Das ist bis heute auch deshalb nicht gelungen, weil die Entscheidungswege bei der Deutschen Bahn verschlungen, unübersichtlich, lang und vor allem langsam sind. Es gab ein Angebot einer Künstlerin, in einem Raum große Skulpturen zu präsentieren – keine Entscheidung. Für ein provisorisches Ad hoc-Café meldete sich eine Bewerberin – keine Entscheidung. Immerhin gelangen Nowak Kontakte zu Stadt, Kreis und Deutscher Bahn; die Gründung eines Beirats, der sich regelmäßig treffen soll, ist ausgemacht. Es müsse doch zu schaffen sein, dass sich beispielsweise eine Einrichtung „Kunst & Umwelt“ etabliert. Ganz in Hundertwassers Sinne.

„Uelzen hat den Bahnhof ausschließlich als Touristenmagnet verstehen wollen, ohne sich um ein Angebot zu kümmern“, resümiert Nowak die letzten Jahre. Dass sich das erschöpfen würde, war absehbar, zumal der Niedergang parallel lief. „Da stehen eine Hülle und ein Label – wir müssen es bespielen“, ist sich Nowak sicher und überlegt: „Wie kriege ich ein Programm hin, dass die Leute kommen?“ Und weiter: „Für einen Wirtschaftsstandort ist es nicht akzeptabel, wenn wir es nicht schaffen, mindestens ein Café oder Restaurant zu etablieren. Man kann Infrastruktur nicht schleifen lassen!“

Brunnen am Hundertwasserbahnhof Uelzen

Vielleicht gehört an diese Stelle dieser Zwischenruf: Die Stadt Uelzen rollt seit Jahren der Wirtschaft den roten Teppich aus, weist Gewerbegebiete in Größenordnungen aus, die auch Angst machen. Baut und versiegelt Flächen wider alle Zeitzeichen. Aber mit welchem Image will sich die Stadt schmücken? Als Hansestadt? Das ist doch, wie sich herausstellt, nur ein Name geblieben. Als Heidestadt? Zum Glück blüht es in Ellerndorf alljährlich, aber eigentlich verortet sich der Markenname „Lüneburger Heide“ anderswo. Als Hundertwasser-Stadt? Wahrscheinlich wird das am allerwenigsten funktionieren; der Künstler war bei der Eröffnung des Bahnhofs schon tot, da gibt es die dünnsten Verbindungen. Ein Image hat man. Ein schlechtes wird man ganz schwer wieder los, das beweisen zahllose Beispiele. Es würde der Stadt also nur zur Ehre gereichen, den ererbten Bahnhof, das Kunstwerk, das Alleinstellungsmerkmal anzunehmen und sich insgesamt (!) um die Philosophie – mehr Grün – eines Friedensreich Hundertwassers zu mühen. Die Ernüchterung nach der Euphorie im Jahr 2000, das Scheitern des Musicals und die Trostlosigkeit des Gebäudes sollten in die Vergangenheit verbannt werden. Denn wie sagte Raimund Nowak – und für seinen Enthusiasmus ist er zu bewundern: „Wenig Sinn macht Jammern. Wir machen hier keine abschließende Geschichtsschreibung!“

[Barbara Kaiser]

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