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Wasser ist Leben

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Fotos: Anne Schorling

Wertschätzung und Umgang mit Wasser in Äthiopien

Jederzeit frisches Trinkwasser direkt aus dem Hahn – in gewünschter Menge und Temperatur zum Kochen, Waschen, Duschen, für die Toilettenspülung. Für uns eine Selbstverständlichkeit, für große Teile der Weltbevölkerung ein kaum vorstellbarer Luxus. Noch immer haben weltweit 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 3,5 Milliarden leben ohne angemessene Sanitärversorgung. In der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen daher den Zugang zu sicherem Trinkwasser, Sanitäreinrichtungen und den effizienten Umgang mit Wasserressourcen als sechstes der insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) formuliert.
Sommerliche Dürren, Unwetter und Starkregen haben auch bei uns in den letzten Jahren deutlich gemacht, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit den Wasserressourcen ist. Länder, in denen Wasserknappheit und schwankender Niederschlag durch ihre geografische Lage zum Alltag gehören, sind uns in diesem Punkt oft voraus. Auch in Äthiopien ist Wassermanagement schon lange üblich, wie Amsalu Derib und Anne Schorling berichten:
In Äthiopien hat Wasser in der Tradition des Landes schon seit jeher eine tiefe Bedeutung. Die Bitte nach einem Glas Wasser bildet den Kern der äthiopischen Gastfreundschaft. Wenn jemand in ländlichen Gebieten zu Fuß unterwegs ist, und sein Ziel vor Ablauf des Tages nicht mehr erreichen kann, klopft er am nächsten Bauernhaus an und bittet um ein Gas Wasser. Dann wissen der Bauer und die Bäuerin, dass der Fremde eine Unterkunft braucht, die sie ihm gewähren. Zur Begrüßung gibt es dann das Glas Wasser und anschließend eine erfrischende Fußwaschung. Bei vielen liturgischen Handlungen der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche spielt Wasser eine große Rolle. Wasser ist heilig, weil es Ursprung und Grund allen Lebens ist. Das christlich-orthodoxe Tauffest Timkat am 19. Januar ist einer der höchsten religiösen Feiertage. Im ganzen Land gibt es „Heiliges Wasser“, Quellen und Wasserstellen, die von Menschen aller Religionen als Orte der Heilung und Genesung genutzt werden. In der alljährlichen großen Regenzeit zwischen Juni und September, von den Einheimischen „Kremt“ genannt, fällt viel Wasser vom Himmel. Auf dem Berg nahe der Stadt Addis Alem wurde daher bereits um 1900 im Auftrag des damaligen Kaisers Menelik II. eine Regenwasser-Zisterne gebaut, die noch heute die Stadt mit „Vorrats-Wasser“ versorgt.
In der südlichen Wüstenregion des Landes, bei dem Volk der viehzüchtenden Borana, gibt es die sogenannten „singenden Brunnen“. Tiefe Wasserlöcher, die innen stufenartig ausgebaut sind. Aus ihnen schöpfen die Hirten, unter rhythmischem Gesang, das Wasser für ihre Familien und Tiere. Sie bilden eine Menschenkette und werfen die gefüllten Ledereimer auf die nächst höher gelegene Stufe, bis nach oben zu den Wasserbecken. Die „singenden Brunnen“ sind ein einzigartiges Modell des Wassermanagements: Das knappe und kostbare Wasser ist bei den Borana ein Gemeinschaftsgut, das allen gleichermaßen zugänglich ist. Durch die zunehmende, dramatische Dürre in dieser Region drohen viele der Brunnen jedoch auszutrocknen.
Bei der Wasserversorgung haben die Flüsse in Äthiopien seit jeher eine besondere Bedeutung für die Lebensqualität der Menschen und für die Landwirtschaft. Zu den bekanntesten gehören der Blaue Nil und der Awash-Fluss, an dem zahlreiche Hominiden-Fossilien und die ältesten bisher entdeckten Steinwerkzeuge gefunden wurden. Das Awash-Tal gilt daher als eine der Geburtsstätten der Menschheit. Mit diesen archäologischen Fundstätten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, wird zugleich sichtbar, wie bedeutsam es für Menschen schon immer war, in wasserreichen Gegenden zu siedeln. Genau hier wurde im Jahr 1974 „Lucy“, das bekannteste, rund 3,2 Mio. Jahre alte Fossil von Australopithecus afarensis, entdeckt. Wenn wir das Thema „Wasser und Wassernutzung“ in seinen vielfältigen Fassetten des kulturellen, religiösen und sozialen Lebens betrachten, wird klar, dass es überlebenswichtig ist, sich gemeinsam über alle religiösen und kulturellen Grenzen hinweg für den Schutz des Wassers zu engagieren. Wasser ist ein Menschenrecht – das bedeutet, alle Menschen weltweit haben ein Recht auf sauberes Trinkwasser. Zugleich müsste es auch eine „Menschenpflicht“ geben, das Wasser vor Verschmutzungen zu schützen und für gerechte Verteilung zu sorgen. [Amsalu Derib, Anne Schorling]

Infos zum Umgang mit Wasser und den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030
• www.17ziele.de/ziele/6.html
• www.unric.org/de/17ziele/
• www.bmz.de/de/themen/wasser

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