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Sternstunde der Orgel

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Im 5. St.-Marien-Sommerkonzert saß Merle Hillmer auf der Empore

Ziemlich volles Haus zum 5. St.-Marien-Sommerkonzert; das Mittelschiff sehr gut besetzt. Und: Endlich ein Orgelkonzert! Man vermisste es ja schon. An der Königin der Instrumente saß Merle Hillmer. Sie ist in Walsrode geboren, in Uelzen groß geworden und hat trotz ihrer gerade mal 24 Jahre schon eine Menge geleistet und auf dem Zettel; ihr Masterstudium Kirchenmusik an der Felix Mendelssohn-Bartholdy Musikhochschule in Leipzig wird sie in Kürze abschließen, sie war erfolgreich bei Wettbewerben vertreten und betreut mehrere Vokalensemble.

Was Merle Hillmer an der großen Orgel bot, darf man durchaus schon mit ein paar Superlativen bedenken. Sternstunde also in St. Marien. Die Stärke ihres Spiels ist die Transparenz, und dass sie oft überraschende Akzente zu setzen weiß. Zudem schreitet sie immer zügig voran (das eigentlich schon immer, seit ich sie vor ca. sechs Jahren das erste Mal hörte), ohne dass das auf Kosten der Genauigkeit und Durchhörbarkeit ginge.

Das gewählte Repertoire für diesen Auftritt trug den eher geografischen Titel „Von Lübeck bis Saragossa“. Aber natürlich weiß man, dass man es in Lübeck mit Dietrich Buxtehude zu tun bekommt. Von ihm dann auch der Auftakt: Praeludium in e-moll (BuxWV 142). Nach wuchtigen Entreeakkorden folgt die zierliche Ausführung, rasch und klar dargeboten. Das war eine sehr schwungvolle Angelegenheit, gar nicht barock brachial. Und in Hillmers Händen schon gar kein Klangbrei.

Merle Hillmer an der Orgel

Im Anschluss von Johann Caspar von Kerrl eine Huldigung für den Kuckuck. Ein musikalischer Scherz für die kleinsten Orgelpfeifen – auf den faulsten Vogel der Welt. Johann Sebastian Bach komplettierte den Reigen der Zeitgenossen mit Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541). Dieses oft gespielte Werk passt mit seiner Tonart in ein heiteres Sommerkonzert.
Danach ein Robert Schumann, wie man ihn eher nicht kennt: Aus „Studien für den Pedalflügel in kanonischer Form“ op. 56 die Nr. 2, die die Spielvorschrift „mit innigem Ausdruck“ trägt. Leicht swingend erklang dieses kleine Stück, ohne dass Merle Hillmer den „innigen Ausdruck“ ins Sentimentale abgleiten ließ. Ein heiterer Schumann – wer hätte es gedacht.

August Gottfried Ritter (1811 bis 1885) war die musikalische Entdeckung dieser Konzertstunde. Oder wer kannte den in Erfurt Geborenen und in Magdeburg Gestorbenen vorher? Seine Sonate e-moll op. 19 war die volle romantische Dröhnung. Chromatische Läufe, entschlossene Akkorde. Sehr hörenswert, weil sehr farbig.
Mit Sebastián Aguilera de Heredia kehrte die Interpretin wieder zum Barock zurück, den Frühbarock, kam aber Spanisch (Saragossa!). Dass den Zuhörern nichts spanisch vorkam, verdankte sich auch hier dem feinen Spiel, das „Ensalada“, den „Salat“, aus verschiedenen Elementen vorstellte. Eine muntere Mischung, vermutlich aus den üblichen Tanzsuiten der Zeit, zwischen Allemande und Gigue.

Merle Hillmer beim Spielen der Orgel

Am Ende Felix Mendelssohn-Bartholdys Sonate Nr. 3 A-Dur op. 65. Das war Höchstleistung zwischen Hochzeitsmarsch und „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“. Die Befürchtung, die Spielerin könnte sich hoffnungslos verirren in den Noten, erwies sich als unbegründet. Sie verweigerte sich jeglicher Überhitzung und brachte alles souverän und sehr rhythmisiert zu einem guten Ende.

Diese Schlussmusik, eine faszinierend virtuose Rennstrecke, bei der die Solistin jedoch die schroffen Kontraste mied und die Themen zum Singen brachte bewies ein weiteres Mal, dass Merle Hillmer die Noten souverän beherrschte und ein beachtliches Gestaltungsvermögen der Partituren besitzt.
Am kommenden Samstag, 06. August 2022, ist Lukas Strieder zu Gast. „Tief, tiefer, Tuba“ lautete der Titel der Paarung Tuba und Orgel. An der sitzt dann Kantor Erik Matz. 16.45 Uhr, St. Marien.

Barbara Kaiser – 31. Juli 2022

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