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Der Berg ruft…

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Zum Abschluss der St.-Marien-Sommerkonzerte erklangen Alphorn und Orgel

So ein imposantes Alphorn ist dreizwanzig lang und aus Fichtenholz, erzählt Thomas Crome, der Gast beim achten und letzten St.-Marien Sommerkonzert. Und natürlich kommt es aus der Schweiz, „weil die die besten machen“. Das klingt logisch, haben sie doch dort auch die höchsten Berge – und Funklöcher. Letztere spielten zwar noch keine Rolle, als man im 16. Jahrhundert das Alphorn erfand, aber der Drang und die Notwendigkeit nach Informationsübermittlung waren schon damals groß. Inzwischen gibt es eine Unzahl von Alphornrufen und auch in den Konzertsaal hielt das Instrument Einzug.

Thomas Crome blies dieses Unikum von Instrument, dazu das Konzerthorn. Sein Duo-Partner Frank Oidtmann saß an der Orgel. Als Begleiter und Solist. Die Noten, die beide Gäste mitgebracht hatten, waren bis auf Leopold Mozart alle 20. Jahrhundert. Was hörgewohnheitsbedürftig war. Aber der Reihe nach:
Die diesjährigen St.-Marien-Konzerte beschlossen mit der achten Musikstunde auch den Sommer; die Besucherzahlen allerdings sind bei aller Traurigkeit darüber hocherfreulich. Ganz oft war das Mittelschiff sehr gut besetzt, sodass man von 900 Zuhörern ausgehen kann. Kantor Erik Matz war ebenfalls sehr zufrieden und erfreut, er studiert mit seiner Kantorei schon wieder das Programm für den dritten Advent, der in diesem Jahr kein Bachsches Weihnachtsoratorium auf dem Programm hat.

Thomas Crome, Horn und Alphorn, Frank Oidtmann, Orgel.

Crome und Oidtmann begannen mit drei Bagatellen für Horn und Orgel des Ungarn Etienne Isoz (1905-1986). Man weiß ja als Zuhörer nie so recht bei Neuer Musik, ob der Solist patzt oder es so sein muss. Beim Horn ist das wahrscheinlich noch einmal extra schwierig. Auf jeden Fall schienen sich die zwei Musiker aufeinander einstellen zu müssen, denn manchmal stritten sie auch um die Lautstärkehoheit. So beim Andante religioso für Horn und Orgel von Artur Kapp (1878-1952)

Die drei Alphornrufe von Alfred Leonz Gassmann (1876-1962), einem Schweizer natürlich, verbreiteten dann Staunen. Man fragte sich, wie man solch hohe, sanfte Töne aus einer Fichtenholzröhre zu holen in der Lage sein kann. Eine Röhre ohne Klappen, Ventile oder Flötenlöcher. Thomas Crome konnte. Die Töne schwebten durch die Kirche und verbreiteten Ruhe und Frieden.
Danach Leopold Mozart (1719-1787), der Vater des Genies Wolfgang Amadeus. Seine Sinfonia Pastorella schrieb er natürlich vor Beethovens „Pastorale“, man darf aber an sie denken. Denn schon bei Mozart gibt es dieses Erwachen heiterer Empfindungen, die Vogelrufe (der Kuckuck ist eben zu verführerisch für Komponisten) und ganz offenbar den Auftritt der Jagdgesellschaft. Nur das Gewitter nicht. Die beiden Musiker aus Süddeutschland machten daraus ein musikalisches Erlebnis, einen kleinen Spaß auch, eine zwischenzeitliche Entspannung für die Ohren.

Ehe am Ende Helmut Michael Brands (*1959) Stück „… so werden wir sein wie die Träumenden“ aus dem Jahr 1999 erklang. Nach Psalm 126 heißt der Text: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,/ so werden wir sein wie die Träumenden./ Dann wird unser Mund voll Lachens/ und unsre Zunge voll Rühmens sein./ Da wird man sagen unter den Völkern:/ Der Herr hat Großes an ihnen getan!“ Die Musik dazu sind sphärische Cluster mit Marsch-Intermezzi, die aber versöhnlich enden.

Zwischen den Horn-Orgel-Stücken verteilte Frank Oidtmann als Solist die vier Sätze der Orgelsonate Nr. 2, op. 16 von Camillo Schumann (1872-1946). Schumann wurde in Bad Gottleuba, das ist im Osterzgebirge, geboren, studierte in Leipzig und ist wahrscheinlich einer der letzten deutschen Romantiker. Oidtmann ging mit der wuchtigen wie liebenswerten Masse der Musik entschlossen um, nicht immer blieb sein Spiel gläsern. Aber die Hommage an Bach, die Fuge über B-A-C-H als Allegro war ein schönes Stück.

Resümee: Es gab in diesem Konzert außer dem Mozart keinen Ohr Catcher. Trotzdem war es eine musikalische Erfahrung, die man machen kann, weil Konzerte schließlich auch dafür da sind. Es gab freundlichen Beifall am Ende.

Barbara Kaiser – 28. August 2022

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