Sandra, die Drogen-Tante
Sandra Katheininger im Sattel ihrer ‚VertretBar‘
Die ‚VertretBar‘ war Sandra Katheiningers eigene Idee. Das Geld dafür gab die Gerhard-Greyer-Stiftung, wie auch schon für ihre halbe Stelle ‚Streetwork und Suchtprävention‘ für die Stadt Uelzen. Inhaltlich hat sie die komplett selbst aufgebaut. Die Nachfrage ist auch über die Stadtgrenzen hinaus groß. Die 15 Stunden ‚HaLT – Hart am Limit‘ für die Alkohol-Prävention in achten Klassen und Jungendgruppen finanziert der Landkreis. Christiane Steckelberg wünscht sich sehr Geldgeber zu finden, damit in Zukunft der gesamte Kreis Uelzen auch von der Präventionsarbeit zu illegalen Drogen profitieren kann – denn die Konsumenten werden immer mehr und immer jünger.
Heute weiß in Uelzen schon jeder Konfirmand, wo er an Cannabis kommt“, versichern Christiane Steckelberg und Sandra Katheininger. Die beiden Sozialarbeiterinnen von der ‚Fachstelle für Sucht und Suchtprävention drobs Uelzen‘ sprechen aus Erfahrung. Erstere ist die Leiterin. Sandra Katheininger ist für Streetwork und Präventionsarbeit mit Jugendlichen zuständig. Dass die 30-Jährige beides in einer Person vereint, sei tatsächlich ziemlich einzigartig, erklärt die Chefin: „Dass man sie erlebt in der achten Klasse zwecks Alkohol-Prävention, in der neunten, zehnten dann zum Thema illegale Drogen, ihr gleichzeitig aber auch auf der Straße begegnet oder im Park, beziehungsweise im Jugendzentrum, diese Vernetzung macht die Besonderheit des Projekts aus.“ Dazu kommen Sprechstunden in den Uelzener Berufsschulen. Dass das Gesicht von Drogen-Tante Sandra schon bekannt ist, macht im Ernstfall die Kontaktaufnahme einfacher, den Umgang entspannter.
Seit Beginn der Pandemie kommuniziert sie mit ihren Klienten verstärkt über Facebook, Instagram und Whatsapp. Dafür hat sie sogar einen Teil der Arbeitszeit in den Abend verlagert, um sich an deren Online-Rhythmus anzupassen. „Durch Corona war es ja jetzt auch ganz lange so, dass sie verschwunden sind von der Straße und zu Hause konsumiert haben. So erreiche ich sie dann wenigstens über Social Media und bleibe mit ihnen in Kontakt“, erklärt Sandra Katheininger. Auch die Präventions-Workshops an Schulen laufen derzeit online.
Kommt sie persönlich vorbei, findet der Workshop zu illegalen Drogen ohne Lehrer statt. „Die Jugendlichen sind dann sehr viel offener, weil es auch um deren Suchtverhalten geht. Das macht es sowohl für sie als auch für mich spannender.“ Aus diesem Grund sammelt sie gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler auf einem Flipchart, was sie selbst an Suchtmitteln kennen und lässt sie berichten, was sie darüber wissen. Dabei fällt immer wieder auf: Es gilt mit vielen Mythen aufzuräumen, die die Schüler im Internet aufgeschnappt haben. Auf Platz eins: ‚Cannabis sei eine Heilpflanze und könne deshalb nicht schlecht sein.‘ „Das ist die absolute Fehlinformation, weil: Cannabis heilt nicht. Es kann Schmerzen lindern und Symptome verringern, aber auch nicht mehr als andere Mittel.“ Und, was viele auch nicht wissen: Die Produkte für medizinische Zwecke machen gar nicht high, weil bei ihnen der THC-Botenstoff mit dieser Wirkung auf das menschliche Gehirn fehlt.
Später wird das Flipchart umgedreht, jeder bepunktet anonym die Drogen, die er bereits ausprobiert hat. Das Ergebnis sei oft erschreckend, allerdings recht repräsentativ, meint Sandra Katheininger. Im weiteren Verlauf geht es um die Gründe, die zum Drogenkonsum bewegen und die Frage, wie man in eine Sucht hinein gerät. Beim Gedankenaustausch wird deutlich: Den einen Weg in die Abhängigkeit gibt es nicht, auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht manche Verläufe wahrscheinlicher sind als andere. Ziel des Workshops ist, die jungen Leute mit spielerischen Methoden und Diskussionen zum Nachdenken über Drogen und ihre eigene Einstellung dazu anzuregen, Aufklärungsarbeit zu leisten – nicht den moralischen Zeigefinger zu heben.
Mit diesen Kärtchen basteln die Schüler in Sandra Katheiningers Workshop zu illegalen Drogen in Gruppenarbeit den Weg in die Sucht zusammen, so wie sie ihn sich vorstellen.
Suchtakzeptierend muss Sandra Katheininger auch beim Kern ihrer Arbeit, der Einzelfallhilfe, sein. „Das würde gar nicht anders gehen, weil die Klienten nicht nüchtern sein können, wenn ich mit ihnen arbeite.“ Langfristiges Ziel sei natürlich immer die Abstinenz. Und nach drei Jahren in der für sie neu geschaffenen Stelle könne sie sich nun auch über Erfolge freuen. Die Kontinuität in der Person sei ein entscheidender Faktor dafür, betont ‚drops‘-Leiterin Christiane Schenkelberg. Ihre Sandra stehe den Jugendlichen auch während und nach Entzug oder Therapie zur Seite. Darum würden sie in den Kliniken regelmäßig beneidet. Spricht Sandra Katheininger von den vielen positiven Rückmeldungen ihrer Klienten, merkt man ihr den Stolz auf ihre Arbeit deutlich an.
Außer Workshops und Einzelfallhilfen führt sie auch sogenannte Auflagengespräche mit straffällig gewordenen Jung-Konsumenten durch, vernetzt sich mit anderen Akteuren zum Thema Sucht – oder besucht mit ihrer ‚VertretBar‘ die Schulhöfe im Kreis. Die ist eigentlich ein Lastenfahrrad, umgebaut zu einer mobilen Cocktailbar. Solange Corona ist, verteilt sie von hier aus aber erstmal nur Goodies und Infomaterial. „Unsere Intention war, noch einen Andockungspunkt für Jugendliche zu schaffen, auch eben für die, die nicht mehr in der Schule sind, dass man sich einfach hier in Uelzen in der Stadt irgendwo hinstellt und kostenlose Cocktails – alkoholfrei natürlich – anbietet und dann ins Gespräch kommt.“.
[Katharina Hartwig]