Seite lädt...

Feuilleton

Landschaften – Petra Vollmer stellt in diesem Sommer im Arboretum aus

teilen

Landschaften haben alle Künstler, ob Maler oder Musiker, durch die Epochen schon immer interessiert. Bereits aus der kretisch-mykenischen Kultur erhielten sind Bruchteile von Fresken, auf denen neben pflanzlichen und Tiermotiven Andeutungen von Geländelinien und architektonisch gegliederten Räumen zu erkennen sind. Und dass in den Villen von Pompeji Landschaften die Räume schmückten – diese Erkenntnis verdanken wir der Geschwindigkeit ihres Untergangs. Zeugnisse einer Darstellung von Landschaft als Hintergrund für eine Bilderzählung tauchen seit dem ausgehenden Mittelalter mit dem Übergang zur Renaissance auf. Es gab heroische und idyllisch-arkadische Landschaften und die Weite als Hintergrund, als der Mensch in den Fokus der Künstler und in den Vordergrund rückte. Und wer dächte bei `Landschaft` nicht an Caspar David Friedrich, den großen Romantiker. Oder wer es musikalisch mag: Bedrich Smétanas „Moldau“ oder Antonin Dvořaks Sinfonie Nr. 9, Aus der Neuen Welt.

Der Mensch jedoch fehlt in den Arbeiten von Petra Vollmer, die in diesem Sommer im Arboretum Melzingen zu sehen sein werden, völlig. Und doch sieht und weiß der Betrachter, dass der Mensch allgegenwärtig ist, dass er die Landschaft verändert. Manchmal brutal rücksichtslos. „Landauf – landab“ nennt die Künstlerin die Bilder, die in zwei Gruppen eingeteilt werden können. Wir hatten uns im Gespräch letztlich auf „Genuss und Verdruss“ verständigt.

Da sind zum einen die Aquarelle, die auch im Winter in der Natur entstehen. Manchmal gefriert dort die Farbe auf dem Papier und taut zu Hause wieder auf, was zu interessanten Verläufen führt. „Ich bin ganz viel unterwegs“, sagt Petra Vollmer, „das Fahrrad ist meine Staffelei.“ Sie lebe seit Kindertagen mitten in der Natur, ergänzt sie. „Da wollte ich ein altes Genre neu interpretieren.“ Das gelingt ihr auch, denn die leichten, hellen Farben dieser Bilder (ent)führen in die Tiefe, in eine Art Dschungel: Noch ein Baumstamm und noch einer, hinter denen am Ende Wasser blinkt. Das man nicht auf den ersten Blick wahrnahm. Und dass es unter der weiten, blendenden Schneefläche mit den Kopfweiden lebt, vermag man sich vorzustellen. Petra Vollmers Arbeiten balancieren auf der Grenze zwischen Seheindruck und Abstraktion. Und sie atmen einen großen Frieden. Der trügerisch ist.

Den es nicht gibt, wie die zweite Gruppe der Blätter beweist. Sie sind keine farbenfrohen Aquarelle, sondern in Schwarzweiß mit Chinatusche plus Experiment entstanden. Es sind Agrarlandschaften. Tiefe Treckerspuren – wir wissen alle, dass die großen Maschinen den Boden verdichten, der nächste Starkregen wird die lockere Krume als Schlammlawine irgendwohin spülen. Ein Berg Zuckerrüben mit den Silos von Nordzucker. Intensive Landwirtschaft, mehr, mehr, mehr…

Petra Vollmer sagt, dass es sie freue, wenn ihre Kunst solch verschiedenen Eindrücke oder Assoziationen produziert. Sie erschuf diese Arbeiten mit einer dokumentarischen Sichtweise, indem sie Material aus der Landschaft nahm und einsetzte. So besteht das lustige Bild „H²O“ aus Wassertropfen, die mit Erde gemischt wurden. Herausgekommen sind Kleckse in vielen Farbtönen. Man darf als Zuschauer denken: Wasser – wie kostbar ist es inzwischen?!

Für ein Bild wurden zwei Blätter auf die B4 geklebt, damit die Autos darüberfahren. Auf dem auf diese Art gemarterten Stück Papier entstand ein Sportwagen, der viel zu schnell unterwegs ist, wie man ahnt, Leitplanken und Straße. Ein Teil von Landschaft, der ungute Gefühle macht.

So funktioniert für Petra Vollmer und den Betrachter der „Umgang mit dem, was ich sehe“. Die Bilder erzeugen Bedeutungsebenen, die Hintergründe haben, wenn man sich nur ein klein wenig müht, nicht achtlos und oberflächlich bleibt. Die Künstlerin selbst ist nämlich auch keine, die arglos bliebe gegenüber gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklung.

Barbara Kaiser – 08. Juli 2021

Vernissage ist am Samstag, 10. Juli 2021, 17 Uhr. Zu sehen sind die Bilder „Landauf – landab“ bis Oktober, mittwochs bis sonntags, 14 bis 18 Uhr.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel