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Feuilleton

Mit Lebensfreude

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Klassische Philharmonie Bonn gastierte mit Mozart, Schumann und Mendelssohn

Auftakt

Der Symphonische Ring ist in dieser Saison sowieso sehr romantik-lastig und eine volle Dröhnung davon gab es mit dem Gastspiel der Klassischen Philharmonie Bonn, die, wenn es passt, in Uelzen Station macht auf ihrem Konzerte-Marathon von Wiesbaden, Stuttgart nach Hamburg und Berlin. Dieser Klangkörper besteht zumeist aus Absolventen und Studierenden der Musikhochschulen im Westen Deutschlands, die sich mit ihrer Tour für „den besten Lernort“, so deren Leiter Alexander Hülshoff in seiner Anmoderation, entschieden hätten – diese Auftritte nämlich.

Mitgebracht hatten die jungen Musikerinnen und Musiker Noten, die die Leistungsfähigkeit eines großen Sinfonieorchesters auf beste unterstrichen: Wolfgang Amadeus Mozart, „Pariser Sinfonie“ D-Dur KV 297. Robert Schumann, Cellokonzert a-moll op. 129. Felix Mendelssohn-Bartholdy, „Italienische Sinfonie“ Nr. 4 A-Dur op. 90. Das Konzert fand in St. Marien statt, ein schöner Resonanzraum für große Partituren.

Los ging es mit Mozarts Bewerbung in der französischen Metropole (1778). Der Anfang erinnerte durchaus an die „Jupitersinfonie“, die zehn Jahre später entstand und deren Tonart C-Dur jedoch nicht so weit von  der „Pariser“ entfernt liegt. Ein energisches Unisono im Allegro, das sich einem rauschenden Tonleiteraufstieg, konzertanter Vielfarbigkeit und vielen motivischen Einfällen ergibt. Das Andantino von Satz 2 besitzt ein flehendes Sechsachtel-Thema ohne Pauken und Trompeten, zart gestuft zwischen Streichern und den anderen Bläsern. Bis Satz 3 mit einem effektvoll wirbelnden Forte abschließt.

Der Klangkörper bot von Anfang an sichtbare Spielfreude, große Eloquenz und bemerkenswerte Konzentration. Da ist pralles Lebensgefühl fern jeder tödlichen Routiniertheit – ein Zustand, der sich durch das ganze Konzert hindurch etablieren würde. Feine Streicher, betörende Holzbläser, sauberes Blech. Um das man sich übrigens auch beim Mendelssohn nie Sorgen machen musste. Dieser Mozart und seine Interpretation waren ganz viel selbstbewusster Wiener Charme, der jedoch abseits vom braven Haydn, und ein Fünkchen Paris, einen Meyerbeer vorausahnend.

Als Solist des Abends konnte das Publikum Sebastian Fritsch (*1996) in Uelzen begrüßen. Schumanns Cellokonzert ist eine Bereicherung des schmalen Repertoires für dieses Instrument. Es entstand 1850, als der Komponist schon schwer an seiner Krankheit litt. Herausgekommen ist dennoch ein kantabler, ausdrucksvoller Grundton, den Fritsch in souveränem Duktus und zauberhaft austariert spielte. Dem Orchester fiel die Aufgabe der dezenten, sparsamen Begleitung zu, es hat nur sehr wenige Tuttiakzente. Und meist besaß die Philharmonie auch diese ganz besondere Rücksicht auf die Lage des Soloinstruments.

Sebastian Fritsch

Die drei Sätze gehen pausenlos ineinander über. Dem nach innen gekehrten Intermezzo von großer Ausdruckskraft folgte das Finale mit diametraler Spielfreude. Hier reagierten und interagierten Solist und Orchester schnell und munter miteinander, sodass Schumanns Wendung nach A-Dur am Schluss absolut folgerichtig erscheint.

Mit der „Italienischen Sinfonie“ setzten die Gäste einen wunderbaren Schlusspunkt. Der fröhlich-lichte Beginn der vier Sätze, die kontrapunktische Satztechnik – da wurde nichts verschleppt, verrührt oder vertändelt. Jeder war auf dem Punkt: Geballte Sonnigkeit, ein Wogen und Schwelgen. Wie so oft Freud und Leid beieinander liegt, schließt sich der nächste Satz an als Nachruf auf Mendelssohns Lehrer: Carl Friedrich Zelter, der im selben Jahr der Entstehung der Sinfonie gestorben war. Dessen Vertonung von Goethes Gretchenlied „Der König von Thule“ ist das Zentrum dieses Abschnittes. Voll ziehendem Schmerz und Trauer.

Aber spätestens mit dem dahinstürmenden Volkstanz neapolitanischer Herkunft in Satz vier sind Musiker und Publikum wieder in Bella Italia. Dass der Komponist seine Sinfonie A-Dur am Ende nach a-moll führt, machte ihn in der Epoche der Romantik zum Unikum. Der heiteren Stimmung tat das aber keinem Abbruch.

So richtig passte so viel Sonne zwar auch nicht zum Advent und dem Weihnachtsmarkt vor der Tür – aber ein bisschen Fröhlichkeit tut in diesen Zeiten allemal gut. Die Klassische Philharmonie wusste in den zwei Konzertstunden trefflich dafür zu sorgen.

Barbara Kaiser – 27. November 2022