Was kann ein Foto? Alles. Lügen, fälschen, betrügen. Es kann aber auch in die Tiefe gehen. Hinter die Fassade. Wie viel Fassade die Modelle von Jochen Quast vor sich hertragen und wie es dem Fotografen gelingt, dass wir, die Betrachter, den Menschen hinter dem Bild zu sehen in der Lage sein können, das vermittelt die derzeitige Ausstellung im Galerieraum des Bundes Bildender Künstler (BBK) in Oldenstadt. Am Freitag war Vernissage.
„Zurück ins Licht“ heißt die Präsentation, die 22 Fotos von Schauspielern, Sängern und Tänzern zeigt, die alle für die Arbeit am Spielzeitheft des Stadttheaters Regensburg entstanden. Wobei `zurück ins Licht` durchaus im Wortsinne gemeint ist, denn die Künstler standen monatelang nicht auf der Bühne, nicht im Rampenlicht. Jetzt durften sie zumindest vor die Kamera von Jochen Quast, der auf der leeren, schwarzen Bühne fotografierte, was die Darsteller ihm boten. Wie sie posierten, sich bewegten, sich in Szene setzten.
Quast arbeitet seit 1996 als Fotograf, seit 2001 als Theaterfotograf. Heute für sieben Bühnen zwischen Heilbronn und Lübeck. Fotografiert hat er eine lange Zeit für das Bayreuther Festspielhaus, auch die Semperoper Dresden war sein Auftraggeber. Seit ein paar Jahren lebt der 56-Jährige im Landkreis und zeigt nun Ergebnisse seiner Tätigkeit.
Eigentlich wollte er Illustrator/Zeichner werden, kam schon durch Zufall an sein Studium der Fotografie (Hamburg) und genauso zufällig an die Theaterfotografie, als einer seiner Kollegen in Bayreuth krank wurde. Dass so viel „Schicksal“ ihn auf den für ihn offenbar richtigen Weg führte, merkt man als Gesprächspartner daran, dass er ganz offensichtlich für seine Arbeit brennt.
Wie entstehen die Bilder? Die für diese Reihe in einer einwöchigen Session, in der über 40 Porträts gemacht wurden. „Wir wollten den Darstellern die Bühne zurückgeben“, erklärt Quast. Als Fotograf möchte er sich von seinen Protagonisten überraschen lassen. Er bleibt meist der Beobachtende. „Bei Tänzern klappt das am besten“, ist er sich sicher. Mit den anderen arbeite man gemeinsam, bis ein gutes Bild im Kasten ist.
Auf diese Weise ergaben sich Fotos, die individuelle Protokolle sind. Auch über persönliche Befindlichkeiten sprechen. Die aber genauso, weil in ihrer Schönheit eine Kraft liegt, einen vom Bild abweichenden Gedanken zu zünden in der Lage sind. Ein Foto sei die Konservierung des Scheins, der nie trügt, sagte Oscar Wilde. Von ihm gibt es ja das bekannte Bild als Dandy, der er ohne Zweifel war.
Fühlten sich die von ihm Fotografierten auch schon einmal denunziert oder bloßgestellt? Das frage ich Jochen Quast im Gespräch, und die Antwort zeugt auch vom Vertrauen, das er zu seinen Menschen aufbaut, die sich vor die Kamera trauen: „Natürlich kämpfe ich auch für meine Bilder, aber wenn einer gar nicht damit zurecht kommt, kann ich es auch zurücknehmen.“ Übrigens macht ihn die Behauptung, einer sei nicht fotogen, so richtig an, fordert ihn heraus. Und man glaubt seinem Enthusiasmus, dass von jedem, wirklich jedem, eine schöne Seite auszustellen ist. Daraus ergibt sich die Frage nach der Bearbeitung der Bilder von selbst. Quast leugnet sie nicht. Aber er bearbeite meist nur in dem Sinne und oft nur mit Licht, dass deutlicher wird, was er zeigen will.
So begegnet der Betrachter in der Ausstellung zum Beispiel dem Tänzer Filippo, dem die Pose offenbar überhaupt nicht schwer fällt. Dem Schauspieler Gerhard scheint man seine Gänsehautstimme anzusehen; auf die er sich als Handwerkszeug verlassen kann, er braucht keinen Schnickschnack. Wie zum Beispiel sein Kollege Michael, der in eine Eisenstange beißt. Vielleicht hat er zu viel Energie angesammelt im Lockdown, oder er ist einfach nur wütend. Oder ein Clown. Und dann ist da noch Anna. Sie steht für das magischste Foto, das auch ein gemaltes Werk von Gerhard Richter sein könnte. Diese junge Frau blickt einem mitten ins Herz. Nicht so selbstbewusst wie andere, eher scheu. Aber vielleicht ist es auch die Demut – vor den vielen Dichtern. Denen sie ja mit ihrem Beruf eine Stimme gibt.
Alle Porträtierten schauen den Betrachter auch an – aber bei Anna ist es anders. Auch weil hier der Fotograf dieses Alltagsbild vielleicht am gelungensten verdichtet hat durch sein Wissen um größere Zusammenhänge oder authentische Vorgänge? Und um seine Emotion? Es ist eine sehenswerte Ausstellung!
Barbara Kaiser – 11. Juli 2021
Geöffnet ist am Samstag/Sonntag, 17./18. Juli 2021, 11 bis 18 Uhr. Am Freitag, 23. Juli, 14 bis 18 Uhr. Und am Samstag/Sonntag, 24./25. Juli, 11 bis 18 Uhr.