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Feuilleton

Ein Boot zu den Sternen – In Bostelwiebeck wird für die nächste Premiere geprobt

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Es sei kein Märchen für schwache Nerven, sagt Thomas Matschoß. Und außerdem habe man sich das erste Mal entschlossen, eine Freigabe für Kinder erst ab zwölf Jahre auszurufen. Was sich dann dem Zuhörer aus der ersten geprobten Szene erschließt, gibt den Vorgaben Recht. Das Stück „Durst“ von Torsten Hammann spielt auf der Erde des Jahres 2078. Der Planet ist zum größten Teil Wüste, Trinkwasser über alle Maßen teuer und rationiert. Auch der Junge Joschi, das Kind von Miriam und Enno, darf nicht mehr als 120 Milliliter am Tag trinken. Dabei ist es heiß…

Es wird eine hochemotionale Abenteuerreise, die der Märchenerzähler Hammann, im alten Lehnstuhl sitzend, wie man das Bild aller Erzähler meist imaginiert, vor seinem Publikum ausbreitet. Nur – ein Märchen ist es nicht. Oder doch? Am Ende wird es die Zuhörer nicht ganz und gar verzweifelt zurücklassen, auch wenn man angesichts der heutigen Welt kaum daran glauben mag.
„Ich finde das Stück wahnsinnig präsent“, sagt Thomas Matschoß. Und: „Die Düsternis des ganzen Themas wird ausgestellt und doch gibt es Hoffnung.“ Diese Träume von „Alles-wird-gut“ kaspern ja stets ein Eigenleben hinter den hohen Zäunen der Realität. Und jeder Held siegt mit jenem Strahlen, dem man ansieht, wie vorläufig es ist.

Die neue Produktion, die Torsten Hammann als Autor, Anja Imig als Ausstatterin und Thomas Matschoß als Mitspieler(in) Oma Sanne gemeinsam verantworten, erlebt am Freitag, 20. Mai 2022, um 19.30 Uhr, in Bostelwiebeck ihre Premiere. Sie wird eine Menge von dem einlösen, was Theater in dieser Zeit sein muss: Störer in einem fatalen Frieden, den wir uns in eigener Beschaulichkeit oft genug vorlügen. Ein Theater, das Wahrheit verkündet, die keine Freunde braucht. Theater, das nicht schmiegsam und biegsam nur auf Amüsement aus ist. Solch ein Theater war das Jahrmarkttheater schon immer – mit „Durst“ ist es das mehr denn je.

„Ich mag es“, erklärt Torsten Hammann dazu, „Themen auf eine Spielebene zu bringen. Ich bin eher der Märchen- und Geschichtenerzähler.“ Mit dem Anspruch, Geschichten zu erzählen, ist er bei Matschoß auf jeden Fall richtig. Aber: Mit dieser Erzählung wollen die Akteure weniger Antworten, sondern dem Publikum die Gelegenheit geben, selber nachzudenken, zu reflektieren. Dafür unterbricht die Figur der Oma Sanne die Handlung, fragt nach, weist hin, vertieft und erklärt. Und ohne die Schwere des Themas zu verharmlosen oder gar zu denunzieren, wird es auch einiges zu lachen geben.

Und vielleicht ist am Schluss die beschwerliche Reise der Miriam, die sie auf sich nimmt mit einem Boot (!) zu den Sternen, und die sie oft an ihre Grenzen bringt, eine Reise zu uns selbst, ein Aufbruch zur Erkenntnis: Man könnte schon was tun. Man muss.

Gespielt wird „Durst“ nach der Premiere am 21., 26., 27. und 28. Mai 2022 sowie am 3. und 4. Juni 2022. Immer um 19.30 Uhr. Kartentelefon: 05807/979971 oder karten@jahrmarkttheater.de.

Was gibt es noch in diesem Sommer beim Jahrmarkttheater? Wieder aufgenommen wird „Patience Camp“, die Produktion aus dem Vorjahr. Neu hinzu kommt „Mond“, eine Wandertheaterkomödie, die sich mit dem Verschwinden beschäftigt. Was tun, wenn das Theater plötzlich weg ist? Welch schreckliche Vorstellung! Die Antwort bekommt man in Bostelwiebeck in diesem Sommer. Alles Open air.

 [Barbara Kaiser]