„Die Kombination von Wasser mit Bäumen ist für mich magisch und symbolisch aufgeladen. Wasser als Lebensspender, die Spiegelung mystisch, Unergründliches unter der Wasseroberfläche, wie in unserer Seele.“ Wenn man Kerstin Sørensen als Naturmalerin beschriebe, hätte das etwas Biedermeierlich-konservatives. Damit täte man ihr Unrecht. Und doch zeugen alle Arbeiten, die in ihrem Atelier in Eimke liegen, noch ungerahmt und durcheinander, von ihrer Liebe zu Landschaften und – was das Licht mit ihnen macht. Licht, das erst die Faszination von Bildern ausmacht. Obwohl dieses Medium eigentlich unsichtbar ist, man es nur zu sehen glaubt, wenn Staub in ihm tanzt, ist es doch unerlässlich. Eine Fotografie ist nur gebanntes Licht. Goethe, der sich in seiner Farbenlehre grandios irrte und mit den Verfechtern der damals 100 Jahre alten Newtonschen Lehre in Konflikt geriet, widmete sich ja der Wechselwirkung von Licht und Finsternis, die nach seinem Verständnis die Farben ergab. Newton hingegen wies experimentell nach, dass sich das weiße Licht aus farbigem zusammensetzt. Vielleicht hat unser Sehen ein bisschen von beidem? Kerstin Sørensen möge diesen kleinen Ausflug ins Naturwissenschaftliche verzeihen, aber diese Imagination verursachten ihre Bilder. Heidebilder, die zu glühen scheinen und doch von schwebender Leichtigkeit sind. Weite, karge Landschaften, die eine meditative Ruhe verströmen. Auenwälder, die sich auf geheimnisvolle Weise doppeln. Es ist bewiesen, dass naturnahe Landschaften einen positiven Effekt auf unsere psychische Gesundheit haben; in Verbindung mit Wasser ist der steigerbar. Die Betrachtung der hier beschriebenen Bilder könnte gleiches Ergebnis zeitigen.
Kerstin Sørensen wird für derlei Selbstversuch ihr Atelier öffnen (siehe Termin). Wer ist diese Frau, die vor zwei Jahren nach Eimke in ein kleines altes Haus zog und seitdem an ihm arbeitet, es sich erarbeitet. Nebenbei aber malt, weil sie die Landschaft der Heide lieben gelernt hat. Die Künstlerin wurde im Jahr 1968 in Langenhagen bei Hannover geboren. „Wir haben abseits gewohnt, und ich war ständig in Wald, Feld und Natur“, erinnert sie sich an ihre Kindheit. Ob es folgerichtig war, nach dem Abitur 1987 in Braunschweig Kunst zu studieren, sei jetzt mal angenommen. Dieses Studium schließt sie 1994 mit einem Einserdiplom ab. Wie sie das Schicksal nach Norwegen verschlug, ist vielleicht ein bisschen zu privat, aber der Leser ahnt es: Die Liebe hat eine Rolle dabei gespielt. Dass Kerstin Sørensen keineswegs als Malerin im Land der Fjorde und Trolle unterwegs ist, sondern ganz bodenständig mit ihrem Mann einen Milchviehhof führte, vier Kindern das Leben schenkte (die heute 17, 18, 20 und 22 Jahre alt sind), Ferienwohnungen vermietete und nur ganz wenig Zeit zum Malen hatte, machte sie vielleicht stark für dieses alte Häuslein, das sie als Handwerkerin noch lange brauchen wird. Denn nach einem privaten Schicksalsschlag ist sie in ihrem Heimatland zurück. Sie sei „in Eimke richtig warm“ aufgenommen worden, freut sich die 54-Jährige, sie arbeitet auf einem Biohof, die bestimmt glücklich darüber sind, eine so tatkräftige Mitarbeiterin gewonnen zu haben. Aber „sowie gutes Wetter ist mit gutem Licht“ arbeitet Kerstin Sørensen in der Natur. Jetzt sucht sie die Öffentlichkeit mit einem Tag des offenen Ateliers, einem Vorhaben, das in diesem Landkreis ja durchaus Tradition hat(te). Sie zeigt alte und neue Arbeiten und bewirbt sich damit auch um die Mitgliedschaft in der Ortsgruppe des Bundes Bildender Künstler (BBK). Das garantiert, dass Kunstinteressierte in der Zukunft weiter von ihr hören werden.
Ich habe nach dem Besuch bei Kerstin Sørensen ihre Buchempfehlung ernst genommen und gelesen: Marion Poschmanns „Die Kieferninseln“. Dort steht eine Menge über das Licht, das alles als gleißender Scheinwerfer zu beleuchten vermag oder aber vage Wahrnehmung ermöglicht, die von den Gegenständen nur einen Schimmer erhaschen lässt, wo sich in Nebel oder Dunst die Konturen auflösen. Wie erhellend für den Betrachter die Bilder in Eimke sein werden, bleibt abzuwarten.
[Barbara Kaiser]
TERMINE Offenes Atelier am Wochenende, 23./24. April 2022, Samstag 14 bis 18, Sonntag 11 bis 18 Uhr. Eimke, Salzwedeler Straße 10 (B71).