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Feuilleton

Das Farbige im Dunklen

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Constantin Schroeder vir seinem Lieblingsbild

Zur Ausstellung von Constantin Schroeder im Kunstverein Uelzen.

Vom 11. März bis 16. April 2023, Theaterkeller Uelzen

Der Maler Constantin Schroeder liebt die stillen Helden. So wie den Boxer, der sein Lieblingsbild ist. Der steht alleine an der Bande des Rings, erschöpft offenbar, das Gesicht zwischen Leere und Zufriedenheit, keinesfalls Triumph. Ob er die Handschuhe noch anhat, kann man nicht erkennen. – Und so heißt die Ausstellung, die jetzt im Kunstverein Uelzen gezeigt wird, auch folgerichtig „Lost“ – „Verloren“. In einer Welt, die nur Expansion und Superlativ kennt, wird hier erzählt von Zurückhaltung, Verweigerung auch, Fremdheit. Die gut zwei Dutzend großformatigen Ölbilder sind keine Verführung zu Prunk und Feuerwerk – Farbigkeit ist ja sowieso oft nur Buntheit -, hier bilden Geistiges und Emotionales eine Melange, die nicht zu beschreiben, nur zu empfinden ist.

Constantin Schroeder wurde 1980 in Hamburg geboren. Er studierte zwischen 2001 und 2007 an der Humboldt-Universität zu Berlin Theologie und Philosophie, an der TU Berlin Neue Deutsche Philologie und Kunstgeschichte. Mit Abschluss des Magister artium. Er habe schon immer gemalt, sagt Schroeder im Gespräch, Porträts und Alte Meister kopiert, was „wahnsinnig Spaß gemacht hat, weil es ja das Auge schult.“ Mit „Lost“ hat er nun Arbeiten der Jahre 2017 bis 2022 nach Uelzen gebracht.

Exposed

Exposed

Das Problem bei der gegenständliche  Malerei sei ja, so ist sich der Künstler sicher, dass der Betrachter nicht mehr fühlen kann. Ja klar, er bekommt alles auf dem Silbertablett serviert, möglichst mit eindeutigem Titel, was er dabei zu denken hätte. Bildende Kunst ist aber kein Brecht-Theater, wo alles nur über den Verstand geht und die Aufforderung „Glotzt nicht so romantisch“ das Motto ist. Bildende Kunst will Stimmung erzeugen, das Gefühl ansprechen, mitreißen, den Betrachter einsaugen, auf dass ihm schwindelig würde und/oder er sich wiederfindet, selber erkennt, beglückt daraus auftaucht.

Constantin Schroeder malt auch fotorealistisch. Allerdings sind seine Abbildungen meist – was jetzt paradox klingt – unrealistische, idealisierte Figuren. Geister auch, Heroen. Erzählerisch sind seine Arbeiten nicht eindeutig definierte Situationen, die Rätselhaftigkeit produzieren und beim Betrachter einen Schub an Gefühlen und Fakten auslösen. Auf dass er seine eigene Geschichte erfände. Oder sich auf selbst Erlebtes besönne. Das Bild sei erst komplettiert, so Schroeder, wenn der Betrachter seine Lebenswirklichkeit in das Gesehene projiziert. Die Malerei ist also Aufforderung, aktiv zu werden, sich zu erinnern, sich einzubringen. Sie ist auch Provokation. Vielleicht stößt sie auf Unverständnis. Dann hätte aber nicht in allen Fällen der Künstler versagt, sondern der Betrachter, dem es an Fantasie mangelte, an Empathie. Denn bei Schroeder vermisst man den Bezug zu Themen des Lebens keineswegs.

Antinomie I

Antinomie I

Constantin Schroeder ist vor seinen Bildern ein sympathischer Plauderer, der der Interviewerin das Gefühl gibt, sie hätte auch etwas beizutragen; eine neue, andere Idee für die Interpretation vielleicht. Beispiel: Mit „Hexen“ begegnet dem Zuschauer ein Werk aus Unschärfen, Verwischungen, Verschwommenheit. Mehrere Figuren ballen sich um eine Person, recken die Hände nach ihr, sodass die in Bedrängnis gerät. Wer ist das? Diese Figur ist weiß, hat kein Gesicht, nichts. Für mich ist sofort klar, dass ich solch eine Szene in einer Weimarer „Faust“-Inszenierung in der Walpurgisnacht gesehen habe. In diesem Falle wäre die bedrängte Figur Faust, der es ja in der Tat schwer genug hat mit seinen Ansprüchen an die Welt.

Das Bild „Exposed“ dagegen zeigt eine Frau, über und über in Tüll, Satinschleifen und Spitzen gehüllt. „Ausgestellt“ heißt der Titel auf Deutsch. Auch „ausgesetzt“ oder „sichtbar“ wären möglich. Ich denke an die roten Teppiche dieser Welt. Die darüber schreiten sehen so ähnlich aus. Und ja: Sie stellen sich selber aus! Mitleid muss man mit ihnen nicht haben, wenn sie sich vielleicht „ausgesetzt“ vorkommen, denn sie wollen es so. Ein böseres Wort dafür wäre: Sie prostituieren sich. Dieses Model von Schroeder aber strahlt nicht ins Blitzlichtgewitter. Ob sie sich doch nicht so wohl fühlt, wie es ihre Robe suggerieren will?

Hexen

Hexen

Es ist unglaublich, wie viel Raum für Geschichten, für Imaginationen vor den Bildern des 42-jährigen Malers möglich scheint. Obgleich die keine Lobpreisung des Hellen sind, denn ihr Hintergrund ist meist sehr dunkel, jedoch nicht monochrom, versehen zudem mit wie zufällig hingetropften Farbverläufen. Im Triptychon „Masquerade“ tropfen diese seltsamen „Kleckse“ von den Händen der Figur. Sind es Marionettenfäden, wie es Schroeder sehen will, oder ist es Klebstoff – mit dem sich der Mann gleich an eine Straßenasphaltdecke binden wird?

Die Ausstellung gibt eine Überfülle an Angeboten, die Welt zu interpretieren, zu erkennen, zu erfühlen. Manches mag ins Leere laufen, weil man es nicht versteht. Imposant jedoch, faszinierend und beeindruckend sind Constantin Schroeders Großformate auf jeden Fall. Und sie sind keine penetrant alleinige Selbstbezüglichkeit, die wohl aus der jahrelangen Weigerung resultierte, dass sich Kunst nicht mit gesellschaftlichen Verhältnissen auseinanderzusetzen habe. Die Arbeiten zielen auf uns, die Betrachter. Und jeder wird etwas von seiner eigenen Sehnsucht wiederfinden.

Geöffnet ist samstags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr oder für Gruppen nach Absprache mit Renate Schmidt, Telefon: 0170-332 50 29.

Barbara Kaiser – 11. März 2023

Masquerade

Masquerade

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