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Erik Matz spielte im 7. St.-Marien-Sommerkonzert Couperin und Widor

Wegen solcher Stücke freut man sich auf Konzerte! Und Erik Matz ließ auch keine Wünsche offen mit der Interpretation der Toccata aus der 5. Sinfonie für Orgel von Charles-Marie Widor (1844 bis 1937). Für das 7. St.-Marien-Sommerkonzert hatte sich der Kantor selbst ans Instrument gesetzt und überraschte mit Barocknoten und großer französischer Romantik.

Die musikalische Stunde begann mit einer katholischen Messe von François Couperin, der von 1631 bis 1700 lebte, dessen Daten aber mit einem Fragezeichen zu versehen sind. Auf jeden Fall kann er Johann Sebastian Bach nicht mehr zur Kenntnis genommen haben, der erst 15 war, als Couperin starb. Erik Matz versuchte, in seinen Einleitungsworten, die Zuhörer in Sachen Musik ins 17. Jahrhundert zu schicken: Keine Rundum-Beschallung allüberall – Klänge gab es, lebte man nicht bei Hofe, was für die meisten ja zutraf, nur im Gottesdienst. Oder mal `ne Schalmei mit Laute auf einer Hochzeit. Welchen Eindruck muss die Orgel auf die einfachen Leuten gemacht haben? Die Wucht und die Verführung der Töne, wenn sie die Messe feierten. Wir sollten das viel öfter mitdenken.

„Ich mag diese kleinen Stücke“, hatte Erik Matz im Gespräch gesagt. Diese Couplets in festgelegter Registrierung. Nach Texten, die sich an der Abfolge der Messe entlanghangeln: Zwischen „Kyrie“, „Gloria“, „Sanctus“ und „Agnus die“. „Kyrie“ – Herr, erbarme dich – war bei Matz eine klare Angelegenheit. Die Partitur spiegelt nirgendwo Depression, die Hoffnung bleibt der Oberton. Eine kleine Fuge, Dialoge der verschiedenen „Instrumente“, je nach Register. Das „Gloria“ – Ehrerbietung, Ruhm – besitzt einen kraftvolleren Einstieg, hat es doch auch den hoffnungsvollsten Text der ganzen Liturgie: „et in Terra Pax“. Friede auf Erden. Die Stücke sind einfalls- wie abwechslungsreich, mal wird die menschliche Stimme imaginiert, mal die Trompete. Gegen Ende geht es richtig zur Sache: Mit schönen Läufen, die dennoch nicht übermütig daherkommen, und mehr Forte. Erik Matz lässt trotzdem nichts überkochen, immer eingedenk des Textes, der das „Dona Nobis Pacem“ (schenke uns Frieden) wie das „Deo Gratias“ (Dank dem Herrn) vorschreibt. Ein paar schöne musikalische Weckrufe und entschlossene, bekräftigende Akkorde beenden die Messe. Mit Sicherheit hat sie den selbstgewissen Glauben der damaligen Zeitgenossen untermauert.

Erik Matz vor der Orgel

Ganz anders Charles-Marie Widor: Es sind inzwischen 200 Jahre vergangen. Die Französische Revolution hat das Land durchgelüftet und auch die Orgel in die Konzertsäle geholt. Die Musik für sie ist nun genauso weltlich geprägt und von der Oper beeinflusst. Man denke an die Superstars der damaligen Zeit: den Franzosen Giacomo Meyerbeer und seinen italienischen Kollegen Guiseppe Verdi. Und Puccini gab`s ja auch noch.
Erik Matz stellte diese Epoche mit zwei Sätzen aus der 6. Sinfonie für Orgel op. 42,6 vor. Ein Intermezzo in dramatischem Presto, einem Vorspiel für eine Opernarie durchaus vergleichbar. Das Ganze ist natürlich entschieden melodiöser und ein hochromantischer Aufmarsch. Matz lässt keine Verwaschungen zu und sortiert diese Breitwandmusik übersichtlich und klar. Das folgende Cantabile ist ein Atemholen vor der bereits erwähnten Toccata.

Wenn der Solist seine Zuhörer mit den zahlreichen Stücken der barocken Messe wirklich verloren haben sollte, jetzt waren sie mit Sicherheit wieder da und ganz Ohr. Die Toccata – vom italienischen toccare: schlagen, berühren, betasten – ist eine der ältesten Bezeichnungen für Instrumentalstücke vor allem bei Tasteninstrumente. Meist in freier musikalischer Struktur, im Charakter einer Improvisation, die zwischen schnellen Passagen in kurzen Notenwerten und vollstimmigen Akkorden wechselt (Wikipedia).

Widor brauchte eigentlich nur ein Hauptmotiv und machte daraus ein aufregendes, erregendes und außerordentlich effektvolles Stück Musik, indem er es durch die Register jagte. Das ist die Krone eines jeden Orgelkonzertes – auch für das von Erik Matz, der es wunderbar gläsern zu Gehör brachte und dennoch seine Wucht nicht unterschlug. Dafür bekam er am Ende langen Beifall von den zahlreichen Besuchern.

Am kommenden Samstag, 20. August 2022, sitzt Frank Dittmer, Matz` Kollege aus Greifswald, auf der Empore und wird, so das Versprechen, „Königliche Klänge für Orgel“ spielen. St. Marien, 16.45 Uhr.

Barbara Kaiser – 14. August 2022

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