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It's Trumann

ARM-SELIG

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„Wer kommt in meine Arme?“ Diese Frage aus Eltern-, Opa- oder Tanten-Mund, in Erwartung des heraneilenden Sprösslings, habe ich seit Kindertagen nicht gehört. 

Unsere Mutter hat später die wenigen Gelegenheiten stets genossen und sich jedes Mal überschwänglich bedankt, wenn ihr in ihrem Altenheimzimmer eine Umarmung zuteil wurde. Die Schutzmaßnahmen wegen der Pandemie haben einiges an Selbstverständlichkeiten ins Wanken gebracht. So auch diese.

„Wer kommt in meine Arme?“ So scheinen Frauen und Männer im Iran zu fragen, die öffentlich, die Religionspolizei provozierend, mit einladend ausgestreckten Armen das Leben und die Freiheit riskieren, für die sie protestieren.

 „Wer kommt in meine Arme?“ kam mir angesichts eines Plakats mit der Herrnhuter Losung für 2022 in den Sinn: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“, wird Jesus von Nazareth dort zitiert. Dazu abgebildet ist Rembrandts Gemälde, auf dem nach der „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ der Vater ihn in seine Arme schließt. Berührungsängste hatte Jesus selber keine – zum Ärger der damaligen Religionspolizei – weder bei Leprakranken noch bei anderen Ausgegrenzten der Gesellschaft. Im Gegenteil. Gewisser als der kleine Bär bei Janosch konnte er sagen: „Ich mach dich gesund“. „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen … und ihr habt nicht gewollt“, seufzte er aber, dessen An- und Niederkunft Anlass unserer Advents- und Weihnachtszeit ist. Mit anderen, wie ich glaube, immer noch gültigen, einladenden Worten: „Wer kommt in meine Arme?“

„You are so human“ – „Ihr seid so menschlich“, staunte der als Vulkanier Mr. Spock gefeierte Schauspieler mit jüdischen Wurzeln Leonard Nimoy, als er 1999 bei einem Fan-Treffen im ihm bis dahin verhassten „Nazi“-Deutschland mit offenen Armen empfangen wurde. Diese manchmal erstaunlich humane, freundliche Art sollten wir unbedingt pflegen, allen Ängsten, Sorgen und Vorbehalten zum Trotz.

In Zeiten steigender Heizkosten könnte zusammenrücken durchaus wieder nützlich sein. Vor dreitausend Jahren schon gab der weise Salomo zu bedenken: „Wenn zwei beieinanderliegen, so wärmen sie sich, wie kann ein Einzelner warm werden?“ Der Touchscreen des Handys oder I-Pads sollte wirklich nicht der einzige Berührungspunkt zwischen uns und unseren Mitmenschen sein. Wir haben es selbst in der Hand (und deren Verlängerung), ob wir in einer armseligen oder einer arm-seligen Gesellschaft leben.

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