Amadeus, Amadeus!
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Christoph Schoener saß im zweiten St.-Marien-Sommerkonzert an der Orgel
Einen riesengroßen Pluspunkt hatte dieses Sommerkonzert schon mal vorab: Betrat man die St.-Marien-Kirche umfing einen angenehme Kühle. Sicherlich nicht nur deshalb war das Mittelschiff wieder sehr gut besetzt beim zweiten St.-Marien-Sommerkonzert, für das Christoph Schoener aus Hamburg an der Orgel saß. Sein Programm verschrieb er in diesem Jahr Mozart. Und da er seit dem Jahr 2000 inzwischen mindestens schon sechs Mal – so oft habe ich eine Konzertrezension in meinem Archiv – zu Gast war, bekam er einen Vorab-Applaus vom Publikum, das sehr wohl wusste, dass eine Orgelstunde bevorstand, die man mit Schoener nie zu bereuen gehabt hat.
Als Entree stand die Ouvertüre C-Dur, KV 399, auf dem Programm. Geprägt durch scharf punktierte Rhythmen ist das Stück für die Orgel geschaffen. Es war ein schöner, wuchtiger Anfang mit einer Fuge, die geprägt ist von Repetitionen und Figurationen und sich an Werke von etwa Buxtehude (um nicht immer Bach zu sagen) anlehnt. Der Wechsel zum Zierlichen gelang mit dem bunten Vogel Papageno, der als der Vogelfänger herbeiflatterte. Leider nur für eine Strophe.
Einen ersten Höhepunkt bildeten die Zwölf Variationen über „Ah, vous dirai-je, Maman“, KV 265. Im Deutschen ist die Melodie bekannt als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, die man herrlich durch alle Register und Geschwindigkeiten jagen kann. Schoener hielt dann auch übermütige Sechzehntel genauso bereit wie Akkorde oder Brummendes im Pedal. Chromatische Läufe oder Moll, auf Zehenspitzen und flüsternd mit einer Forte-Zusammenfassung am Ende.
Damit hatte sich der Gast endgültig Gehör verschafft, Eindruck gemacht und das Publikum auf seiner Seite. Aus einem kleinen Thema eine große Musik zu machen – dass Mozart das konnte, weiß man. Es folgte ein Adagio C-Dur für Glasharmonika, KV 356. Ein Adagio ist ja immer was zum Niederknien in seiner Zartheit, in Moll noch mehr. Im „Stück für ein Orgelwerk in einer Uhr“, KV 594, stand es danach in Moll, in f-moll, und erklang ungewöhnlich robust und irrlichternd. Das Allegro dann wieder heiter, nach F-Dur gewendet, entschlossen und brachial-fröhlich mit einem Opernarienschluss. Das zweite Adagio der Komposition fing am Schluss alles wieder ein.
Das Spiel Schoeners blieb beredt und voller Schwung, steigerte sich im „Andante für eine Walze in eine kleine Orgel“: Zierlich, Leierkasten-like, kess fast und am Ende verschmitzt mit einem schrägen Ton. Seelenvoll, voller Temperament, als Arbeiter der Nuance überzeugte der Gast aus Hamburg seine Zuhörer, ehe er zum großen Abschluss kam: Fantasie f-moll, KV 608, „Ein Orgel Stück für eine Uhr“.
Das sei „großer, wunderbarer Mozart“, hatte Christoph Schoener diesen Abschluss angekündigt. Er war eigentlich nicht nur das. Die Fantasie verbeugte sich vor Bach und nahm auch gleich ein Stückchen Romantik vorweg. Dabei ist diese Fantasie eine Trauermusik für einen gestorbenen österreichischen Feldmarschall – aber wen interessierte das heute noch.
Der Organist überzeugte das Publikum mit seinem Spiel aus filigraner Transparenz, kraftvoller Konzentration und Kontrastfähigkeit.
Es war insgesamt ein wohlgefälliges Konzert, was das Repertoire anging, so recht Sommerabend-kompatibel, ohne beängstigende Dramatik. Wie angenehm.
Am kommenden Samstag, 15. Juli 2023, sitzt Andy Mokrus am Flügel, begleitet von Antje Ueberschär (Flöte). Der Titel ihres Programm „Bridges tot he world“.
Barbara Kaiser – 09. Juli 2023