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Auf der Suche nach Bambi

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Fotos: Dirk Marwede

Kitz-Rettungsaktion bevor der Grasmäher kommt

Morgens 4.25 Uhr: Die eingängigen Beats von „Cordula Grün“, gespielt im Radiowecker, reißen mich aus dem Tiefschlaf. Und dennoch bin ich sofort hellwach, denn mir steht ein kleines frühmorgendliches Abenteuer bevor – das Auffinden und damit das Retten von Kitzen auf Wiesen, die noch am selben Tag gemäht werden sollen. Eine gute halbe Stunde später an den Wiesen der Ilmenau in der Kirchweyher Gemarkung. Einige der Jäger und die Landwirte Hans-Hinrich und Sönke Schulz sowie Annette Krause sind schon am verabredeten Treffpunkt eingetroffen.
Von oben ist ein leichtes Flirren zu hören. Eine der beiden Drohnen unternimmt schon einmal einen Testflug, während ganz in der Nähe ein Kuckuck seinem Namen alle Ehre macht und ein Kranich majestätisch über einen Acker schreitet. Die morgendliche Sonne versteckt sich noch hinter den Bäumen, als die Lagebesprechung zwischen der Großwiese, der kleinen und der großen Dreieckswiese und der Teichwiese beginnt. Wo wird welches Team arbeiten? Wer übernimmt welche Aufgabe? Ist alles benötigte Material vor Ort? Alle, die auf die Wiesen gehen werden, bekommen frische Gummihandschuhe, denn menschlicher Kontakt mit den Kitzen muss unbedingt vermieden werden. Die erste orangefarbene Drohne hebt ab. An Bord hat sie eine normale Kamera und außerdem noch eine Wärmebildkamera, mit der die Areale nach einem engen Muster abgeflogen werden. Die Spannung bei allen Beteiligten steigt, denn noch wissen wir nicht, ob sich im hohen Gras überhaupt Kitze verstecken.
Die Wärmebildkamera zeigt einen ersten hellen Fleck, doch die Profis erkennen sofort, dass es sich dabei um ein ausgewachsenes Reh handelt. Das stimmt. Eine Ricke, die erst vor kurzem geworfen haben muss, äst in aller Ruhe. Ihr Bauch ist noch dick, doch die Flanken sind eingefallen. Ein klares Indiz, dass die Geburt eines Kitzes erst vor kurzem stattgefunden haben muss.
Plötzlich erscheinen zwei helle Punkte ziemlich nah beieinander auf dem Bildschirm. Beim Heranzoomen wird klar, dass es sich hier zwei Hasen auf Maulwurfshügeln bequem gemacht haben. Sie scheuen das hohe taufrische Gras, warten auf die Sonne. Überhaupt stellen Maulwurfshügel auf den Wiesen ein Problem dar. Sie erhitzen sich bei Sonnenstrahleinwirkung schneller als
die Umgebung und täuschen so einen etwaigen Tierfund vor. Allein deshalb ist spätestens in den späten Vormittagsstunden Schluss mit der Ausspähung der Wiesen.
Wieder bleibt die Drohne in der Luft stehen. Volltreffer, ein Kitz duckt sich leicht eingekringelt ins nasse Gras. Jetzt heißt es zu handeln. Ausgerüstet mit einem quadratischen großen Kescher, einem frischen Kartoffelsack, Schnüren, einem Flatterband und einem Funkgerät machen sich die ersten beiden Kitzjäger auf den Weg. Das Gras ist fast hüfthoch, die Jeans oberhalb der Gummistiefel schon bald klatschnass.
Per Funkgerät wird navigiert, mit jedem Schritt steigt die Anspannung. „Stop. Ein wenig nach rechts. Ein bisschen links. Ihr müsstet das Kitz jetzt sehen.“ Richtig. Doch selbst aus der Nähe ist es nur schwer zu erkennen. Der Kescher saust nieder, der Überraschungsmoment ist auf unserer Seite. Der Sack wird aufgehalten, das Kitz mit behandschuhten Händen darin verstaut. Es zappelt ein wenig mit den Beinen, wird aber schnell wieder ruhig. Jetzt heißt es, den nächsten gut gelegenen Ablagepunkt zu finden. Dorthin wird der Sack mit dem Kitz darin gebracht, zugebunden und befestigt. Das Flatterband wird an einem Baum als Markierung aufgehängt, denn schon direkt nachdem die Wiese fertig gemäht ist, wird das Kitz wieder befreit werden.
Kitze sind das Alleinsein gewöhnt, denn nur fünf- bis sechsmal am Tag kommt die Ricke, um es zu säugen. Und auch, wenn das Einfangen für das Kitz für eine gewisse Zeit Stress bedeutet, so ist sein Leben dennoch gerettet. Drei Kitze und drei kleine Hasen im Nest werden an diesem Morgen geborgen. Die zwei Stunden Einsatz haben sich gelohnt.

[Dirk Marwede]

Initia Medien und Verlag UG

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