Danach gesellte sich Stephan Picard, der zweite Violindozent, zu Stefan Hempel. Sie spielten den 1. Satz aus der Sonate für zwei Violinen von Eugène Ysaÿe, dem belgischen Komponisten (1858 bis 1931) brillanter Salonstücke. Diese Sonate entstand 1915, sie siedelt zwischen Hochromantik und Expressionismus und vielleicht – den Schrecken des I. Weltkrieges. Die Solisten schufen eine Sphäre sensibel schattierter Stimmungen mit aggressiven Ballungen und tragischen Kantilenen.
Ebenfalls 1915 entstanden Karol Szymanowskis „Mythen“, aus denen Oskar Kaiser, der erste Kursteilnehmer des Abends, mit seiner Violine die Geschichte der Nymphe Arethusa erzählte. Der Interpret übersprang spielend die Rezeptionshürden, die moderne, nicht durch eingängige Melodik ausgewiesene Musik, meist aufbaut. Für diese besondere Tonsprache des Polen und deren exquisite Interpretation erhielt der 24-Jährige aus Rostock begeisterten Applaus.
Auch der Abschluss des Abends blieb romantisch: Klavierquintett Nr. 2 A-Dur op. 81 von Antonin Dvořak. Mit außerordentlicher Spielfreude, energisch zusammengehalten von der souveränen Chinesin Quanglin Wang (21) am Klavier, musizierten Annina Pritschow und Ricardo Müller (beide 22/Violine/Rostock), Caroline Luy (24/Bratsche/Hannover), Mark Schumann und Stephan Picard als Dozenten am Violoncello und der 1. Geige.
Mit überspringender Vitalität im Allegro von Satz 1, mit einem vibrierenden Spannungsbogen voller Seele im langsamen Satz 2 und mit Glanzstellen der Differenzierung insgesamt. Nie geschwätzig, voller Anmut und Fantasie im Umgang mit dem Klang.
Die Zuhörer hatten tausend gute Gründe für den langen Applaus am Ende. Und außerdem ist das Publikum mehr als dankbar, endlich wieder Konzerte besuchen zu können.
Barbara Kaiser – 24. Juli 2021