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Feuilleton

Voller Glanz Sommerakademie: Akademiekonzert Nr. 1 mit musikalischen Perlen

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„Wir haben Unglaubliches vor uns“, begrüßte Hinrich Alpers die zahlreichen Konzertbesucher im Oldenstädter Langhaus, „eine weitere Sommerakademie.“ Im Gespräch bekennt er dann, dass in diesem Jahr – dem zweiten der Pandemie – doch einiges einfacher gewesen sei. Weil, obgleich man es viel zu oft anderswo anders erlebt, Erfahrung eben immer klug macht. Es war das erste von fünf Konzerten. Spielen würden Dozenten und Studenten; eine schöne, gedeihliche und effektive Mischung. Außerdem entfiel so die in jedem Jahr schwere Aufgabe, eine Konzertkritik nur für die Dozenten verfassen zu müssen.

Dass mit Stefan Hempel und Hinrich Alpers zwei Lehrer den Anfang machten, war das Rudiment des früheren Dozentenkonzerts. Die beiden hatten sich Ludwig van Beethovens Violinsonate A-Dur op. 30,1 auf die Pulte gelegt. Die drei Sonaten unter dieser Opus-Nummer entstanden im Jahr 1802, der Komponist nahm sich damals einen „ganz neuen Weg“ in der Instrumentalmusik vor. Es ist der Beginn seines „heroischen Stils“, in den die starken Spannungen flossen, die der 32-Jährige im Privaten und Gesellschaftspolitischen empfand. Beethoven widmete die Sonaten dem jungen russischen Zaren Alexej – ein eindeutiges Statement gegen Napoleon.

Trotz dieses Hintergrunds bleiben die Sonaten, auch die in A-Dur, noch verspielt, lyrisch und heiter. Hempel und Alpers warfen sich genau auf diese Art und Weise die Töne zu. Sie produzierten einen filigranen Feinklang, vor allem im intensiv ausgeformten Adagio, das bei diesen zwei Interpreten mit dem Zusatz „espressivo“ in den allerbesten Händen war. Das halbe Dutzend Variationen des 3. Satzes war auf gedeihliche Weise durchhörbar.

Danach gesellte sich Stephan Picard, der zweite Violindozent, zu Stefan Hempel. Sie spielten den 1. Satz aus der Sonate für zwei Violinen von Eugène Ysaÿe, dem belgischen Komponisten (1858 bis 1931) brillanter Salonstücke. Diese Sonate entstand 1915, sie siedelt zwischen Hochromantik und Expressionismus und vielleicht – den Schrecken des I. Weltkrieges. Die Solisten schufen eine Sphäre sensibel schattierter Stimmungen mit aggressiven Ballungen und tragischen Kantilenen.

Ebenfalls 1915 entstanden Karol Szymanowskis „Mythen“, aus denen Oskar Kaiser, der erste Kursteilnehmer des Abends, mit seiner Violine die Geschichte der Nymphe Arethusa erzählte. Der Interpret übersprang spielend die Rezeptionshürden, die moderne, nicht durch eingängige Melodik ausgewiesene Musik, meist aufbaut. Für diese besondere Tonsprache des Polen und deren exquisite Interpretation erhielt der 24-Jährige aus Rostock begeisterten Applaus.

Auch der Abschluss des Abends blieb romantisch: Klavierquintett Nr. 2 A-Dur op. 81 von Antonin Dvořak. Mit außerordentlicher Spielfreude, energisch zusammengehalten von der souveränen Chinesin Quanglin Wang (21) am Klavier, musizierten Annina Pritschow und Ricardo Müller (beide 22/Violine/Rostock), Caroline Luy (24/Bratsche/Hannover), Mark Schumann und Stephan Picard als Dozenten am Violoncello und der 1. Geige.

Mit überspringender Vitalität im Allegro von Satz 1, mit einem vibrierenden Spannungsbogen voller Seele im langsamen Satz 2 und mit Glanzstellen der Differenzierung insgesamt. Nie geschwätzig, voller Anmut und Fantasie im Umgang mit dem Klang.

Die Zuhörer hatten tausend gute Gründe für den langen Applaus am Ende. Und außerdem ist das Publikum mehr als dankbar, endlich wieder Konzerte besuchen zu können.

Barbara Kaiser – 24. Juli 2021