Sie liebt Chopin und alte Gemäuer
teilen
Medingens Altäbtissin Monika von Kleist wird 80
Man hat ja, genau wie seine gepflegten Vorurteile, auch seine Klischees im Kopf. Was erwartet man also von einer Äbtissin? Ganz bestimmt nicht, dass sie so unkonventionell ist wie Monika von Kleist. Ob sie im Sommer noch in der Ilmenau schwimmen geht, weiß ich nicht, aber ihre Liebe zu Pferden und Hunden sollte sich erhalten haben, seit wir das letzte Mal beim Kaffee zusammen saßen. Ich hatte sie besucht für die Reihe „Ganz privat“, die in der Allgemeinen Zeitung zwischen 2004 und 2006 und später als Buch erschien.
In diesem Monat wird die Altäbtissin 80. Man glaubt es nicht – und das ist jetzt mehr als eine Floskel zu derlei Anlässen. Denn sie ist aktiv und organisatorisch dabei, wenn es um die Sommerkonzerte im Kloster Medingen geht oder es die Studenten der Internationalen Sommerakademie, die im Festsaal üben dürfen, zu betreuen gilt. Monika von Kleist fährt alljährlich zur lieb gewordenen Kur nach Ungarn und sitzt auch in den Abschlusskonzerten oben genannter Akademie. Weil sie Chopin liebt und Klaviermusik überhaupt. Manchmal erzählt sie auch, dass sie das eine oder andere Konzert ganz woanders in einer Aufführung erlebte, und sie hat eine Meinung dazu.
Als die Jubilarin noch als Äbtissin amtierte, sagte sie: „Respekt und Achtung erwarte ich von meinen Konventualinnen, das mit dem Gehorsam sollte vorbei sein!“ So hatte sie das Kloster geführt und sich diesen Respekt auch erworben.
Monika von Kleist war „nur eingeheiratet“ in diese berühmte Familie, wie sie immer betonte. Heinrich von Kleist, dem Dichter, wand sie wohl keine Lorbeerkränze. In der Familie höher geschätzt sei sowieso Ewald von Kleist, den jede anständige Lessing-Biografie als Freund des großen Aufklärers ausweist. Er ist das Urbild des Major Tellheim in „Minna von Barnhelm“. Und dass die Familie noch einen Ewald von Kleist-Schmenzin (= Name des Gutes) hatte, der bereits im Jahr 1932 in einer Schrift „Der Nationalsozialismus – eine Gefahr“ vor Hitler warnte, wissen vielleicht die wenigsten. Der couragierte Publizist wurde im Sommer 1944 hingerichtet.
Ab 1999 war Monika von Kleist im Amt. Im Oktober 2012 gab sie es offiziell weiter.
Eines unterschied sie auffällig von ihrer Vorgängerin Gisela Rothbarth: Sie redete immer geradezu und nicht so poetisch. Von hörte der Besucher am Ende eines Klosterkonzerts nie den Wunsch nach dem „behüteten Heimweg“. Das kann man bedauern, denn das hatte immer so etwas von sich geborgen fühlen. Was ja zu einem Kloster passt und gehört. Aber Monika von Kleist ist eben eher der pragmatische, zupackende Typ. Ihr Leitspruch stammt von dem Komponisten Gustav Mahler: „Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“ Das weist in die Zukunft, und was wäre in diesem Lande nötiger.
Lange Jahre stand Monika von Kleist früher als Bevensen-Urlauber ein wenig sehnsüchtig vor dem alten Klostergemäuer und hatte das Gefühl, als würden die Flügel des großen Tores sie sanft in den Arm nehmen und „Herzlich willkommen“ sagen. Das ist ein schönes Bild. Als sie sich dann vorstellte, öfter zur Probe wohnte, die Chemie zwischen allen stimmte, war Medingen für sie der Platz nach der Pensionierung.
Am 16. Dezember des Jahres 1940 geboren, hatte das Mädchen immer einen Hang zu Land und Forst. Ihr Vater sah das nicht so gerne und übertrug ihr zur Bewährung die Verantwortung für die heimischen Hühner. Der Erfolg gab diesem pädagogischen Experiment Recht: das Mädchen Monika Evers aus dem Kreis Helmstedt besuchte die Handelsschule und lernte bei einem Anwalt in Braunschweig, abseits der Hühner. Später arbeitete sie als Stenotypistin bei den Braunschweigischen Kohlebergwerken, in Hessen, in Schleswig-Holstein und war zuletzt 25 Jahre lang leitende Sachbearbeiterin an der Volkshochschule Großburgwedel.
Nichts wies darauf hin, dass sie mit dieser Vita einmal Äbtissin sein würde! Wie muss man sein, damit man es letztlich wird? „Die Leute müssen einen mögen“, ist sich Monika von Kleist sicher, denn die Äbtissin wird vom Konvent des Klosters gewählt. Auf Lebenszeit. „Nie wollte ich hier Äbtissin werden, sondern Konventualin, und ich bin hierhergekommen ohne Machtbedürfnis“, sagt sie. Dass sie ihre Damen, darunter Altäbtissinnen, nicht „beherrschte“, sondern auf ein Miteinander setzte, glaubte man ihr. Sonst würde sie wohl auch nicht „an den hohen Feiertagen“ für alle gekocht haben in ihrer Amtszeit.
Eine „beharrliche Diplomatin“ hatte die Präsidentin der Klosterkammer Monika von Kleist einmal genannt. Diplomatie braucht`s wohl in diesem Amte. Wenn ihr die einmal auszugehen drohte, machte die Äbtissin einen großen Waldspaziergang mit ihrem Hund.
Monika von Kleist war immer eine zupackende Frau. Bei jemandem, der eine „große Verehrung für Martin Luther“ hat, ist das kein Wunder.
Herzlichen Glückwunsch zum 80.! Auch wenn in diesem verrückten Jahr die Feier anders ausfallen wird, als vielleicht geplant oder erhofft. Die Glückwünsche werden bestimmt per Post zahlreich eintreffen…
Barbara Kaiser – 12. Dezember 2020