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Feuilleton

Samtvorhang – eingemottet Sanierungsarbeiten im Theater an der Ilmenau gehen voran

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Gesetzt den Fall, es hätten sich noch ein paar Töne des letzten Konzerts von Anfang März 2020, des Klavierkonzerts Nr. 2 g-moll op. 22 von Camille Saint-Saëns mit den Göttingern und Hinrich Alpers, irgendwohin gesetzt – sie guckten jetzt sehr traurig aus der Wäsche. Das Theater an der Ilmenau versinkt im Baustaub, ein bepudertes Kofferradio quäkt tapfer den Bauleuten irgendeinen Sender und Schlagermusik in die Ohren, eine Hebebühne und Gerüste dominieren das Haus. Sechs Millionen Euro werden investiert, um es rundzuerneuern, vier Millionen für eine neue Bühnentechnik und zwei für die energetische Sanierung. Am Ende wird das bunte 1970er-Jahre-Mosaik an der Außensüdseite einer Photovoltaikanlage gewichen sein, zeugend von einer neuen Zeit (nicht nur) in Sachen Kultur!

„Das Haus ist auf die nächsten Jahre gerechnet“, versichert Julius Pöhnert, der Leiter der Veranstaltungsstätten der Stadt. Und: Er sei „noch optimistisch“, dass die Eröffnungsgala wirklich am 1. Oktober 2021 stattfindet. Zwei Wochen nach diesem Satz kam die Nachricht, dass es nicht so sein wird, weil sich neue Baumängel an Stahlträgern offenbarten. Ins Jahr 2022 verschoben wird also diese Gala, mit einer Rede des Bürgermeisters (wer immer das dann auch sein wird) und musikalischen Häppchen. Deutsche Bautradition der Gegenwart, obwohl man keine Elbphilharmonie und schon gar kein Hauptstadtflughafen ist, setzt sich also auch hier fort.
Am Ende wird es jedoch etwas zum Feiern geben. Dass nämlich diese kleine Stadt ein eigenes Haus für Theater, Konzerte und Kulturelles nicht schließt, sondern saniert. Das bleibt aller Ehren wert. Und lässt die Hoffnung keimen, dass es mehr Zuschauer ins neue Haus ziehen wird; was allerdings voraussetzt, dass der Spielplan sich anspruchsvoll gestalten möge und nicht wieder nur nach Kassenlage ausgefüllt ist.

Bis jetzt jedoch braucht’s für Opern- oder Operettenglanz und gediegenes Schauspiel noch ganz viel Fantasie. In den Gängen hängen die Elektroleitungen von der Decke, die Hinterbühne ist entkernt, der Samtvorhang wohlverwahrt. Die alten Garderoben im Keller sind herausgerissen und offenbaren eine Menge Platz… Die Beleuchtung des Zuschauerraums und vor allem die der Vorderbühne wird am Ende neu sein. Eine Induktionsschleife in den ersten Reihen wird den Theaterbesuch für hörgeschädigte Zuschauer komfortabler machen. Ein Fahrstuhl wird aus dem Untergeschoss, das dann wieder dem Bund Bildender Künstler zur Gestaltung freigegeben ist und in dem Catering stattfindet, ins Foyer und zum Zuschauerraum schweben. Die Hinterbühne, die der bis jetzt ungemütlichste, zugigste und düsterste Veranstaltungsort in ganz Uelzen war, soll zu neuem Leben erwachen. Wenn sich der rote Vorhang – dann gereinigt und in alter Schönheit – hebt, könnte Uelzen stolz sein auf ein quasi neues Theater. Das ist in Zeiten, wo nur zu zählen scheint, was sich rechnet, wahrhaft eine ganze Menge. Sechs Millionen für einen Ort der Kultur in Uelzen. Wer hätte das für möglich gehalten!

[Barbara Kaiser]

Initia Medien und Verlag UG