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Mit Schwung auf der Zielgeraden

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Erstes Abschlusskonzert mit Orchester und Solisten im Kloster Medingen

Für die Abschlusskonzerte der Internationalen Sommerakademie haben die Dozenten Pause. Jetzt zeigt es sich, welche Früchte eingefahren werden können, welche Ergebnisse die „Mühen der Ebenen“ hervorbrachten. Weil ein Musikerleben eben nicht aus Glitzer besteht.

Davon allerdings gab es im ersten Abschlusskonzert, das traditionell im Kloster Medingen stattfindet, weil die dortigen Räume für den Unterricht genutzt werden dürfen, jede Menge. Wenn man Mozart-Fan war, brach man unter dem Glanz zusammen. Wenn man es eher mit Beethoven hält, kam man zumindest beim letzten Programmpunkt auf seine Kosten.

Das Konzert war also mozartlastig. Männerlastig auch! Von zehn Solisten waren gerade einmal drei Frauen darunter. Neu die Praxis, dass wegen des großen Interesses der Studenten*innen ausschließlich Solopartien von Konzerten gespielt wurden. So kam der Salzburger zu Ehren; mit dem ersten Satz seines Klavierkonzerts c-moll (KV 491) und den beiden Violinkonzerten G-Dur (KV 216 – vollständig) und A-Dur (KV 219 – zweiter Satz). Dazu gab es für die Kontrabassisten das D-Dur-Konzert von Johann Baptist Vanhal (1739 bis 1813). Und dann endlich Ludwig van Beethoven und sein 4. Klavierkonzert G-Dur op. 56.

Till Hoffmann (27/Dt.) trug die Bürde des Beginnens. Für c-moll und dessen Depression hat die 14. Internationale Sommerakademie allerdings absolut keinen Grund. Sie war eine freundliche Angelegenheit; da ich selber seit 14 Jahren dabei bin, lautet mein Resümee: Es fühlte sich in diesem Jahr besonders harmonisch und aufgeschlossen an. (Und dies ist keine Hofberichterstattung!) Till Hoffmann jedenfalls brachte sein Allegro als eine Welt des strömenden Klangs und unbeirrbar zu Ende.

Die Kontrabässe – Jim Thomas (24/Dt.), Simone Kreuzpointner (23/Dt.) und Hui Cai (28/China) – spielten den Vanhal  schwungvoll-lässig. Großartig unerschrocken, mit dem Bemühen um Transparenz und phänomenal spieltechnischer Leistung. Der erste Satz besitzt eine Wahnsinnskadenz, der dritte gibt dem Bass die Möglichkeit, eine Bratsche zu sein. Das  waren Sätze zum Luft anhalten und vor allem eins und drei nahe an der Virtuosität.

Frederik von Wrochem (19/Dt.), Simon Luethy (23/Dt.) und Simao Ferreira (14/Portugal) teilten sich das Mozartsche G-Dur-Konzert. Keinem der drei fehlte es an Entschiedenheit, Energie und Souveränität gegenüber der Noten. Das Adagio zum Anbeten. Der sehr junge Simao spielte mit dem Bonus des Kindes, den er jedoch nicht nötig hatte!

Noch ein Adagio – das geht immer – stellte Muxiang Zhang (23/China) vor. Er spielte sein A-Dur ohne zu schleppen und setzte auf die nichtsemantische emotionale Ausdrucksmöglichkeit der Musik.

An dieser Stelle muss etwas zum Wratislavia Kammerorchester aus Wrocław gesagt werden. Die polnischen Gäste sind auch schon zehn Jahre dabei, erst seit kürzerer Zeit ist die Geigerin Roksana Kwaśnikowska die Leiterin. Es ist erstaunlich, in welcher kurzen Probenzeit Solisten und Klangkörper immer zueinander finden. Das Orchester erweist sich als anschmiegsam und an den richtigen Stellen prononciert. Mit diesen Musikern*innen haben die jungen Solisten*innen einen verlässlichen Partner, der nicht insistiert (es gibt ja keinen Dirigenten) und doch verlässlich schönes Zusammenspiel erleben lässt.

Nach zwei Stunden Konzert kam dann endlich Beethoven! Hyewon Kim (26/Südkorea) und Helen Yu (19/Kanada) teilten sich in die drei Sätze, wobei der zweite ja eher nur eine kurze Überleitung ist, ein sphärischer, irrlichternder Zwischenruf, mit dem keiner so richtig etwas anzufangen weiß.

Die zwei Spielerinnen erwiesen sich als Meisterinnen des Perlenden und des Piano. Bei diesem Beethoven hatte auch das Orchester noch einmal eine Sternstunde erwischt, auch wenn das Volumen schon zahlenmäßig für das wilde Rondo nicht ausreichen kann!

Ich kenne zahlreiche Aufnahmen der Beethoven-Klavierkonzerte mit sehr prominenten Interpreten – diese Aufführung im Kloster hatte sich in keiner Weise zu verstecken. Es war eine spannungsvolle Reihung intensiver Momente, technisch souverän, eine Darbietung, aus der Funken schlugen.

Das erste Abschlusskonzert der Sommerakademie war lang. Vielleicht zu lang. Aber nie fühlte man sich als Zuhörer erlebnismäßig auf Null gesetzt, weil alle leidenschaftlich musizierten. Amerikanische Kardiologen haben herausgefunden, dass Lieblingsmusik die Durchlassfähigkeit der Gefäße um 26 Prozent erweitert. So gesehen hat das Publikum in der Klosterkirche diesen Abend sehr gesund verbracht.

Barbara Kaiser – 12. August 2023

 

 

 

 

 

 

 

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