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Mit Drive – Sommerakademie: 3. Akademiekonzert fabrizierte staunende Zuhörer

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Ja, auch dieses dritte Akademiekonzert hatte wieder ein Glanzlicht. Eine Partitur, die ein ganz anderes Hörgefühl produzierte, die staunen machte und den Puls beschleunigte. Die Rede ist von der Sonate für Bratsche und Klavier op. 11,4 von Paul Hindemith. Nun werden an dieser Stelle ja Dozenten nicht explizit herausgestellt – weil es ihre Aufgabe und Profession ist, beglückende Studien der vollkommenen Unangreifbarkeit abzuliefern. Aber was Simone von Rahden und Hinrich Alpers hier spielten, kann nicht einfach unter `selbstverständlicher Professionalität` abgebucht werden.

Die Hindemith-Sonate ist eigentlich nur ein Satz, der in eine Fantasie mit vier Variationen über ein Volksliedthema und ein Finale mit sieben Variationen über ein weiteres Thema gegliedert ist. Entstanden im Jahr 1919, ist sie eine aus dem Sonatenzyklus op. 11, der sechs Stücke umfasst. Sagt man dem Komponisten ab der Nummer fünf neobarocke Tendenzen nach, so ist davon in der Nummer vier nichts zu hören. Die ist ein verstörend schönes Werk, das die zwei Musiker als vitale Hochtour darboten, sich aber genauso in Feinem und Zartem zu verlieren wussten. Atemberaubend eben.

Für Franz Schuberts Klavierquintett A-Dur – „Forellen-Quintett“ – bewies Cord Koss (22) aus Frankfurt/Main an der Violine ein sehr beachtliches Standvermögen durch alle fünf Sätze. In den Kontrabasspart teilten sich Florian Ziesch (25/Leipzig), Yosuke Motoyama (28/ Mainz), Antonia Weiß (24/Leipzig) und Lluis Böhme (24/Hannover). An Viola, Violoncello und Klavier arbeiteten Simone von Rahden, Jakob Nierenz und Hinrich Alpers. Es ist übrigens sechs Jahre her, dass dieses Schubert-Quintett schon einmal bei der Sommerakademie erklang.

Auf das Lied mit einem Text von Christian Friedrich Daniel Schubart entstanden die fünf Sätze mit einer pittoresken Klavierbegleitung, die höchste Anforderungen an den Pianisten stellt. Die ungewöhnliche Besetzung fußt auf der von Nepomuk Hummel, Mäzen Franz Schuberts und oberösterreichischer Bergwerksdirektor, der hatte sie so bestellt. Ganz offenbar auch mit der Bedingung, dass es einen Variationen-Satz gibt, der das bekannte Lied „In einem Bächlein helle“ verarbeitet.

Die A-Dur-Tonart verbreitet einen unwiderstehlichen Silberglanz, malt den dahin schießenden Fisch und den still gleitenden Fluss. Vermutlich spiegelt dieses Stück Musik auch die für den Komponisten glückliche Sorglosigkeit der Sommerwochen 1819, aber die Partitur ist doch so viel mehr als gehobene Unterhaltungsmusik, für die sie damals genommen wurde. Der poetische Text bekam durch Schubert eine klare musikalische Fassung.

Auch die Bassisten bekamen zu tun und absolvierten ihre Parts in schöner Lässigkeit. Zum Mann am Flügel muss man nichts sagen, der ließ sich durch all die Triolen und Sechzehntel nicht beirren und verbreitete den nötigen Charme. Forellen-Idyll. Im Andante gaben alle Akteure den unruhigen Modulationen – der böse Fischer tritt auf und „macht das Bächlein tückisch trübe“ – Kraft und Ausdruck. Im schönsten und bekanntesten Satz, der „con variazioni“, realisierte das Ensemble den wohllautend fülligen Sound in präziser Artikulation und bewies Gestaltungsvermögen. Hier wurde nichts zelebriert oder nur dechiffriert, sondern mit überzeugender Hingabe musiziert.

Das Spiel war eine heitere Kumpanei. Uneitel, in fesselnder Dichte, vor allem in Satz vier ein lautmalerisch-assoziatives Musizieren. Zwischen schwebend changierender Helle, animierter Zartheit und feinster Durchsichtigkeit der Linien und Strukturen.

Solisten, ob Sänger oder am Instrument, sind ja nicht zwingend gute Kollektivspieler. Diese Gewissheit konnte der Zuhörer in den Konzerten der Sommerakademie schon immer ins Reich der falschen Befürchtungen verweisen. An diesem Kammermusikabend brachte das Quintett durch lückenlose Übereinstimmung Sinnenzauber in die Noten, fesselte bis zum Final-Jubel.

Ach ja, und dann gab es noch das Klavierquartett Es-Dur KV 493. Stephan Picard (Geige), Jakob Nierenz (Violoncello) und Sheila Arnold (Klavier) umrahmten die Studentin Sophie Kiening (20/Berlin) an der Bratsche. Sie lieferten eine sehr akzeptable Leistung, auch wenn für mein Ohr der Spannungsbogen mitunter abriss.

Und als „Pausensnack“ erklangen das Zwischenspiel und das Vorspiel zu „Carmen“; Sie wissen schon, mit der berühmten Torero-Ermächtigung, diesmal jedoch für vier fröhliche Kontrabässe. Aber neben dem Hindemith und dem Schubert verblassten diese Auftritte in der Erinnerung. Großes Pardon, aber vielleicht hat es der eine oder andere Zuhörer so empfunden wie ich.

Barbara Kaiser – 29. Juli 2021