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Feuilleton

„Meine Orgel – mein Orchester“

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Im sechsten St.-Marien-Sommerkonzert saß Annika Köllner auf der Empore

Das Zitat der Überschrift stammt vom französischen Komponisten Caesar Franck (19. Jahrhundert), der davon überzeugt war, dass die Orgel mit ihren Möglichkeiten der Klangerzeugung ein ganzes Orchester abdecke und ersetzen könne. Und schon der gute alte Bach spielte auf „seinem“ Instrument Werke, die nicht für diese „Königin“ geschrieben worden waren. Warum dann also nicht auch einmal Film- und Computerspielmusiken, muss sich Annika Köllner, Kantorin an der Klosterkirche Ebstorf, gefragt haben. Unter dem Titel „Game & Watch“ war sie im sechsten St.-Marien-Sommerkonzert zu Gast. Dieser Titel klingt  nur auf Englisch griffig. Übersetzt heißt er ziemlich sperrig „Spiel und zuschauen“ (besser: beobachten); also die Kopplung eines Substantives mit einem Verb (wenn man es nicht substantiviert). Aber egal.

Ich gebe es zu: Kaum ein musikalisches Motiv vom Programmzettel wäre mir ad hoc in den Kopf gekommen. Film- und Videospielmusik für die Orgel zu transponieren, ist aber auch weit hergeholt. Obgleich dieses Instrument zwischen Piccoloflöte, Trompete und Streicher alles vereinen kann. – Wenn man also keine Erwartungen an das Programm hatte, konnten die nicht enttäuscht werden. Und um es vorweg zu nehmen: Für das Repertoire hätte es der Vielfalt der Orgel nicht bedurft, es wäre genauso auf dem Akkordeon oder dem Klavier passend aufgehoben gewesen.

Gut besucht war das Konzert ohne Frage, Annika Köllner hatte eine große Ebstorfer Publikumsgemeinde mitgezogen. Die hörte dann 60 Minuten lang eine recht unspektakuläre und wenig aufregende Vorstellung. Die von der Organistin selber arrangierten Partituren blieben sehr brav.

So flog zu Beginn die Eule Hedwig von Harry Potter in St. Marien ihre Runde, ehe zwei „Tetris“-Themen aufhorchen ließen. Ich wusste gar nicht, dass die russischer Folklore entlehnt sind, bei der man eigentlich immer gute Laune kriegt. Meist aber verharrte das Spiel düster, Markenzeichen war ein lange gehaltener Pedal-Grundton.

Nun verschwinden Filmmusikkomponisten oft im Abspann eines Streifens. Vielleicht ist Hans Zimmer da eine Ausnahme. Der wurde mehrmals für den Oscar, den Golden Globe Award und den Grammy Award nominiert. Seine Musik zu „Fluch der Karibik“ ist bekannter. Die erklang am Ende des Konzerts. Hier wurde es endlich einmal ein bisschen polyphoner und bombastischer.

Davor hatte das Medley zu „The Legend of Zelda“ (Videospiel) aufmerken lassen, weil es verschiedene Takte und Tempi und sogar einen langsamen Walzer (wow!) vorstellte. Die Musik zu „Der Pate“, die man auch erkennt, wenn sie erklingt, hätte in der Interpretation durchaus ein wenig zügiger daherkommen können. Da war sehr viel Largo, schmachtend fast.

Zu Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“ und dessen Hauptmotiv muss man nicht viel sagen, das hat Ohrwurmqualität. Annika Köllners Auffassung davon besaß ausschließlich mehr Forte in der Wiederholung statt größerer Variabilität und nötiger Dämonie. Schade, denn dieser wühlenden Düsternis entzieht sich eigentlich kaum einer.

Fazit: Ich hatte zum Glück keine Erwartungen. Das jedoch eigentlich nur, weil ich mit dieser Art von Musik weniger anfangen kann. Trotzdem hätten mich ein rasantes und weniger einförmiges Spiel durchaus überzeugen können. Diese Konzertstunde besaß leider wenig Nachhaltigkeitspotential.

Am Samstag, 12. August 2023, ist Dr. Lilo Kunkel aus Würzburg die Organistin. Sie bringt „Jazzinspirierte Orgelmusik“ mit. St. Marien, 16.45 Uhr.

Barbara Kaiser – 06. August 2023