Mit Effekt und Ambition
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Reigen der Konzerte der Internationalen Sommerakademie eröffnet
Musikalisch ging es dramatisch zu im ersten Akademiekonzert der 14. Internationalen Sommerakademie, atmosphärisch jedoch wie immer entspannt, entspannend, fröhlich. Das Programm war an Effekten reich und wohl kalkuliert. Ein Gewebe aus Anspruch und Ambition. Die Akademiekonzerte, drei an der Zahl, vereinen Studierende und Dozenten, das reine Dozentenkonzert ist abgeschafft. Und eigentlich war es so ja schon immer; diese Konstellationen spiegeln das Miteinander, ohne Wettbewerbsdruck, das die Sommerakademie von Beginn an ausgezeichnet hat.
Der künstlerische Leiter, Professor Hinrich Alpers, konnte sich über ein volles Haus freuen und vergaß nicht, sich bei allen zu bedanken, bei denen die 55 Akademie-Teilnehmer zu Gast sein beziehungsweise Örtlichkeiten nutzen dürfen: Im Langhaus Oldenstadt, der Musikschule und der Kirchengemeinde des Ortes.
Dann kam die Musik zu Wort, die zwischen Beethoven, Grieg und Hummel klassische Entschlossenheit und romantischen Bombast im Gepäck hatte. Es war ein überwältigender Anfang, musiziert in feinem, flüssigem Ton, intelligent wie ideenreich.
Den Auftakt durften die Student*innen Ulrike Schlegel (32/Dt.), Katja Wieck (27/Norwegen), Simon Luethy (23/Dt.) – alle Violine – Sebastian Rauch (17/Dt.) und Helen Yu (19/Kanada) – Klavier – machen. Das Violoncello spielte Jakob Nierenz (Dozent). Angesichts der Tatsache, dass alle nur zwei Tage Zeit hatten, Ludwig van Beethovens Klaviertrio c-moll op. 1,3 gemeinsam zu studieren, brachten sie eine unglaubliche Homogenität aufs Podium. Der junge Sebastian Rauch musizierte mit einer faszinierenden Reife, die ihn ablösende Helen Yu überzeugte in Beethovens dramatischster Tonart (mit programmatischen Hintergründen) restlos. Die Streicher besaßen allesamt einen Strich, der nirgendwo quietschte oder sich überschlug. Herauskam ein Stück Musik voller Energie, die sprühte, mit Emphase, die den Zuhörer ergriff und auch Zartheit kannte.
Eine reine Dozentenangelegenheit war Edvard Griegs Sonate für Violine und Klavier G-Dur op. 13. Stefan Hempel und Hinrich Alpers sorgten hier für den richtigen Drive des Hochgefühls – der Komponist schrieb das Stück als frisch Vermählter. Das g-moll des Beginns bleibt Episode, bestimmend sind die folkloristischen Töne, tänzerisch akzentuierte Themen. Der Dreivierteltakt des dritten Satzes ist musikantisch ausgelassen.
Kritik an den Dozenten verböte sich bei der Sommerakademie keineswegs – jeglicher Kommentar in diese Richtung wäre Beckmesserei. Wie diese beiden Solisten zusammen Musik interpretieren, konnte man schon in den Vorjahren beobachten und erfahren. Da ist nirgendwo fatale Routine, da ist immer ein aufgewecktes Miteinander; und ihre handwerklichen wie künstlerischen Fähigkeiten sind über jeden Zweifel erhaben. Hier spielen Prägnanz und nachdrückliche Kraft eine den Noten immer dienende Rolle.
Die dritte Partitur des Abends war Johann Nepomuk Hummels Klavierquintett mit Kontrabass es-moll op. 87. Muxiang Zhang (23/China) und Sara Ferreira (25/Portugal) strichen die Violinen, Simone Kreuzpointner (23/Dt.) stand am Kontrabass. Als Dozenten gesellten sich Carolin Frick (Viola), Mark Schumann (Violoncello) und Hinrich Alpers (Klavier) dazu.
Hummel war Mozartschüler und ein großer Beeinflusser von Schubert. Sein Quintett hat dieselbe Besetzung, die dessen „Forellenquintett“ hat.
Die Partitur ist eine zauberhafte Melange aus Mozart und Beethoven, indem der Komponist sich vor deren Klavierkonzerten (d-moll und c-moll) verbeugt. Sie besitzt aber genauso sehr witzige agitato-Passagen, die große Freude machen. Die Musiker*innen gingen sehr fröhlich ans Werk, wieder mit dieser so typischen Spielfreude, die Dialog und Wettgesang sind. Nie jedoch gegeneinander arbeitend, sondern aufeinander hörend. Ein Largo zum Verlieben und ein brillantes Finale – zwei Konzertstunden waren um. Aber es geht ja weiter…
Barbara Kaiser – 07. August 2023