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Im achten St.-Marien-Sommerkonzert saß Frank Dittmer an der Orgel

Eigentlich könne man jedes Orgelkonzert mit „königliche Musik“ überschreiben, rechtfertigte der Gast aus Greifswald in seinen Einführungsworten das Thema seiner Konzertstunde. Schließlich nenne man die Orgel auch „Königin der Instrumente“! Der Professor aus der Hansestadt an der Ostsee nannte seinen Vortrag also „Königliche Klänge für Orgel“; auch, weil es prachtvolle Musik sei und/oder für den Hof komponiert. So einfach ist das also.

Dittmer wurde zwar im Emslands geboren und wuchs in Bad Zwischenahn auf, er studierte in  Oldenburg und Köln, ist aber ab 1997 zunächst Kantor in Stralsund, später Domorganist am Greifswalder Dom. Im vergangenen Jahr erhielt er die Berufung zum Professor für Kirchenmusik an der dortigen Universität. Er sei schon einmal in Uelzen gewesen, erinnerte er sich. Das lag aber noch vor der Zeit der Orgelrestaurierung. Nun zeigte er sich erfreut, welche Möglichkeiten das Instrument  böte.

Diese war er auszuschöpfen entschlossen, denn sein Repertoire begann mit Dietrich Buxtehude und Michael Praetorius bewegte sich über Johann Sebastian Bach (bis hierher: Barock) und Charles-Marie Widor, mit dem er in der französischen Romantik ankam –  zum Belgier Joseph Jongen (1873 bis 1953) und Thomas Roß-Köln (*1969). Breiter kann man eine Stunde musikalisch nicht fächern.

Buxtehudes Präludium, Fuge und Charonne (BuxWV 137) kam für meine Begriffe ein wenig breiig daher. Das blieb aber zum Glück nicht das Hauptmerkmal des Vortrags von Frank Dittmer. Schon bei Praetorius` Choralbearbeitung „Nun lobe, mein Seel`, den Herrn“ war sein Spiel schlicht und ruhig, voller Gewissheit und Überzeugung in der mehrmals sich wiederholenden, dröhnenden Abschlussreprise. Hier erklang`s nahezu enthusiastisch.

Bachs Concerto a-moll (BWV 593) nach Antonio Vivaldi: Concerto a-moll op.3, Nr. 8 war eine wunderbare Melange aus deutscher Barock-Schwere und italienischem Flair. Heiter, flott, voller Sonnenschein das Entree, ein wenig spannungslos das Adagio, wieder munter und witzig das folgende Allegro.

Danach wurde es synkopisch: Aus Thomas Roß-Kölns „Jazz-Stücke für Orgel“ erklang das „Let`s get rhythm“. Diese Noten lagen dem Interpreten ganz offenbar. Sein Spiel changierte zwischen schwelgendem Leierkasten und rasendem Staccato, mit viel Schwung und Verve.

Das Intermezzo aus Charles-Marie Widors Orgelsinfonie op. 13, Nr. 1 ist nicht minder beeindruckend als die Toccata der Nr. 5 aus der letzten Woche von Erik Matz. Frank Dittmer nahm sie schön fingerflink und mit Ausdruck.

Zum Abschluss dieser 60 Minuten „königlicher Klänge“ ein wirkliches Meisterstück, eine beeindruckende Angelegenheit: Die Sonata Eroica op. 94 von Joseph Jongen. Wir denken bei „Eroica“ an Beethoven und Napoleon; und dass der Komponist dem Feldherrn am Ende das Heroische absprach, indem er das Titelblatt seiner Sinfonie mit der Widmung zerriss. Weil ein Politiker eben wieder einmal enttäuscht hatte und mit der eigenen Krönung zum Kaiser die „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zur Farce hatte verkommen lassen.

Der belgische Komponist dieser Sonata Eroica war Jahrgang  1873. Im I. Weltkrieg zählte er 40 Jahre, mitten im II. war er 70. Ehe er mit 80 Jahren starb. Das vorgetragene Werk entstand 1930, nach der großen Weltwirtschaftskrise also, als die Nazis langsam schon Machtansprüche anmeldeten.

Man muss aber diese Partitur nicht politisch deuten wollen, obgleich das erste musikalische Thema laut und beängstigend erklingt. Das zweite weiß zu besänftigen. Das Stück besteht aus infernalischen Klängen, sphärischen Zwischenrufen und manifesten Akkorden. Eine Fuge – sehr Bach-like – rast auf den Schluss zu. Hier hält Dittmer das  Fugenmotiv noch präsent  im Presto und allen Ballungen den Endes. Sie war eine grandiose Dame, diese Eroica. Aufwühlend und erfrischend anders, abseits der Hörgewohnheiten.

Das Publikum danke es dem Gast aus Mecklenburg-Vorpommern mit langem Beifall. Das neunte und schon letzte St.-Marien-Sommerkonzert gibt es am Samstag, 27. August 2022. Thomas Crome und Frank Oidtmann musizieren mit Alphorn/Horn und an der Orgel. 16.45 Uhr, St. Marien Uelzen.

Barbara Kaiser – 21. August 2022

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