Eine Nacht wie keine andere – Wie Orkan „Zeynep“ in Ebstorf zu einer großen Herausforderung wird
„Das durchziehende Sturmtief Zeynep ist – seit Wetteraufzeichnungen existieren – offenbar der bisher heftigste Februarsturm. Zuerst wird eine Kaltfront des Tiefs hereinkommen, was besonders der Nordwesten Deutschlands zu spüren bekommen wird. Es werden extreme Böen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h erwartet.“
18. Februar 2022: Die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Uelzen, wie etwa in Ebstorf, befinden sich in erhöhter Alarmbereitschaft, denn gegen 19 Uhr wird der Orkan auch hier erwartet. Schon bald kommt es im Klosterflecken zu den ersten kleinen Einsätzen, doch eine große Herausforderung steht den ehrenamtlichen Feuerwehrkameraden erst kurz vor Mitternacht bevor. 23.13 Uhr: Die Lage ist unübersichtlich, die Meldung klar. Auf der Kreisverbindungsstraße K 11 zwischen Ebstorf und Vinstedt droht ein Baum auf die Straße zu kippen, die Krone hat sich ungünstig in einem anderen Baum verfangen. Beide hängen in einer S-Kurve über die Fahrbahn. Wenige Minuten später sind rund zehn Kameraden mit zwei Einsatzfahrzeugen vor Ort, ein weiteres wird nachgefordert. Der Sturm legt eine kurze Pause ein, um kurz danach noch heftiger zuzulegen. Einsatzleiter und stellvertretender Ortsbrandmeister Timo Schärling instruiert seine Kameraden. Die Lage ist angespannt, denn wer kann schon wissen, ob es nicht gleich noch einen anderen Baum erwischt. Kurze Besprechung vor Ort. Kann der Baum ohne Gefahr für Leib und Leben gefällt werden oder ist das zu riskant? Eine lange Diskussion ist nicht drin, es muss schnell und effektiv entschieden werden, während der Sturm wieder an Kraft zulegt.
Schnell steht fest, dass ein Baumexperte hinzugezogen werden muss. Thorsten Kruse-Neuls aus Altenebstorf wird um schnelle Hilfe gebeten. Um 0.03 Uhr trifft er an der Einsatzstelle ein, die inzwischen von einem Lichtmast ausgeleuchtet wird. Er erkennt sofort, dass die Gefahr zu groß ist, noch in dieser Nacht etwas zu unternehmen. Ein Seil müsste in der Höhe befestigt werden, ein Schlepper müsste her. Bei dieser Wetterlage ist gar nicht daran zu denken, denn niemand weiß, wie sich der Sturm weiter entwickeln wird.
Der Beauftrage für Öffentlichkeitsarbeit der Freiwilligen Ortsfeuerwehr Klosterflecken Ebstorf, Felix Wendlandt, ist vor Ort. Sein Eindruck: „Die Lage ist zwar angespannt, aber jeder weiß, was er zu tun hat. Alle Sinne sind geschärft, doch wirkliche Angst verspürt hier niemand. In dieser Situation kommt dem Einsatzleiter eine besondere Verantwortung zu. Denn schließlich muss er entscheiden, was gemacht wird.“
In dieser Sturmnacht, die in ganz Deutschland erhebliche Schäden anrichten wird, entscheidet sich Einsatzleiter Timo Schärling dafür, dass sich die Wehr bis auf den Kreisverkehr am Ortseingang der K11 zurückzieht. Die Einsatzleitstelle, die die Straße in Vinstedt bereits hat sperren lassen, wird informiert, Mitarbeiter des Bauhofes werden angefordert, denn nur sie dürfen die Straße mit Baken für den Verkehr sperren. Als das geschehen ist, kann die Wehr ins Gerätehaus abrücken. Dort wird der Einsatz kurz besprochen, ehe es, nach einem weiteren Notruf, erneut in die stürmische Nacht hinausgeht, denn noch wütet der Sturm in ganz Norddeutschland.
Unter der Leitung von Björn Kernen verzeichnet die Ebstorfer Ortsfeuerwehr mehr als 70 Mitglieder, die aktive Abteilung ist zusätzlich in vier Gruppen unterteilt. Dazu kommt eine Kinder- und eine Jugendfeuerwehr, denn auf Nachwuchsarbeit wird in Ebstorf großer Wert gelegt. Dieser 13. Einsatz im Jahr 2022 wird den beteiligten Kameraden aber sicherlich lange im Gedächtnis bleiben.
Wie gut das Ebstorfer Feuerwehr-Team aufgestellt ist, zeigt es immer wieder bei unterschiedlichsten Wettbewerben wie etwa bei der Deutschen Meisterschaft in der Unfallrettung. Nach einigen Monaten speziellen Trainings hat sich das Team zum Beispiel bei der Rescue Challenge, der Deutschen Meisterschaft in der technischen Unfallrettung nach Verkehrsunfällen, bewährt. Dabei ist die Aufgabe beim sogenannten Rapid Szenario nicht gerade einfach, denn es gilt, eine verunfallte Person innerhalb kürzester Zeit aus einer schwierigen Lage mit technischem Rettungsgerät zu bergen und das Opfer bestmöglich medizinisch zu versorgen. Hintergrund der Übung ist es, das Erlernte aus dem Wettbewerb und den Übungseinheiten bei realen Einsätzen anwenden zu können. Dass die Ebstorfer das beherrschen, haben sie schon oft bewiesen – so wie bei der Platzierung unter den Top Ten der Deutschen Meisterschaft.
Eines sollte dabei nicht vergessen werden – alle Einsätze und alle Übungseinheiten und damit viele Stunden Freizeit werden zum Wohle der Menschen ehrenamtlich geleistet.
[Dirk Marwede]