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Ein Wagen für das letzte Geleit

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Noch ein letztes Mal fährt Philipp Ramünke vorsichtig mit dem Lappen über die matt glänzende Oberfläche einer dunklen Kugel, auf der ein graues Kreuz befestigt ist. Die Enden der Kreuzarme sind kleeblattförmig ausgebildet, schlicht und schön gearbeitet ist es Teil der letzten Ehrung eines Verstorbenen. Denn das Kreuz gehört zu einem historischen Leichenwagen, der derzeit im Museumsdorf Hösseringen für die neue Sonderausstellung „Fahrzeuggeschichten aus der Lüneburger Heide“ hergerichtet wird. „Dieses Kreuz ist das einzige erhaltene, das wir von diesem Wagen haben“, erläutert der Museums­restaurator. Ein zweites soll nachgearbeitet werden. Die vier Ecken des hohen Baldachins sind von hölzernen Kerzen gekrönt und auch den Stoff, der den oberen Teil des Wagens einst einfasste, hat Philipp Ramünke mitgebracht. Die gerafften Vorhänge bestehen aus mit Seide hinterlegtem Wollfilz. Sie sind original erhalten und wurden in den vergangenen Wochen restauriert.

Der schwarz glänzende Leichenwagen stammt aus Rosche, er wurde im Jahr 1904 von Schmiedemeister Georg Kiehn gebaut und diente dazu, den Verstorbenen von ihrem Haus bis zur Friedhofskapelle in Rosche das letzte Geleit zu geben. Das Pferdegespann stellte jeweils ein Bauer, der den Wagen auch lenkte, zur Verfügung. So hielten es die Roschener noch bis zum Beginn der 1960er Jahre. Doch als sich die Bestattungsunternehmen nach und nach motorisierte Fahrzeuge anschafften, wurde der Wagen nicht mehr benötigt. Zunächst im Geräteschuppen auf dem Roscher Friedhof untergestellt, übergab man ihn vor zwölf Jahren dem Museumsdorf Hösseringen.
In Vorbereitung auf die Ausstellung wurde der Wagen als erstes bei den Kollegen am Freilichtmuseum Kiekeberg gegen Holzschädlinge thermobehandelt. Anschließend erfolgte eine gründliche Reinigung.

Auch der Sarg, den der Restaurator mittels Schiebevorrichtung auf den Wagen hebt, stammt aus der Museumssammlung. Er wurde um die Weihnachtszeit 1970 von Tischlermeister Adolf Behrens aus Gerdau gefertigt, blieb aber unbenutzt. „Wir haben in der Festzeit oft, wenn die Anderen spazieren gingen, in der Werkstatt gearbeitet, weil jemand gestorben war“, hatte der Tischlermeister dazu berichtet. „Auf dem Lande war der Tischler oft auch der Bestatter“, ergänzt der stellvertretende Museumsleiter, Dr. Björn Thomann. „Anhand der beiden Ausstellungsstücke möchten wir einen kleinen Blick auf die Bestattungskultur im ländlichen Raum werfen.“ Auf dem Lande waren die Leichenwagen meist nicht prunkvoll ausgestattet. War nichts anderes vorhanden, tat es auch ein Leiterwagen oder ein einfacher Karren. Erst seit dem 19. Jahrhundert stieg die Nachfrage nach repräsentativen Bestattungswagen, die auch als Ausdruck des wachsenden Standesbewusstseins der bäuerlichen Bevölkerung zu sehen sind. Genau in diese Zeit fällt die Herstellung des Roscher Leichenwagens. Ergänzend sollen in der Ausstellung ein Totenbuch sowie weitere Objekte zum Thema präsentiert werden.

[Christine Kohnke-Löbert]

Die Ausstellung „Rollen ist leichter als Tragen. Fahrzeuggeschichten aus der Lüneburger Heide“ wird ab dem 29. Mai im Museumsdorf Hösseringen zu sehen sein.