Ein Tunnel für die Amphibien von Oetzendorf
Triturus cristatus. Irgendwie edel klingt der Name, ein bisschen nach römischem Märtyrer. Und in der Tat ist der Kammmolch – so der schnöde übersetzte Name der größten heimischen Amphibienart – eine Spezies im beständigen Kampf um Leben und Tod: Als „streng geschützt“ gilt er nach europäischer FFH-Linie, immer wieder ist sein Lebensraum – Kleingewässer mit angrenzenden Wiesen und Wäldern, die als Winterquartier benutzt werden – von Zerstörung, Dünger, Umweltgiften, Austrocknung oder schlichtweg Müll bedroht.
Umso erfreulicher ist: Die Mini-Drachen sind seit vielen Jahren in einer ausgesprochen großen Population bei Oetzendorf heimisch. Überhaupt ist die Gegend reich an Amphibien, mehr als 6000 Tiere – Molche, auch Grasfrösche oder Erdkröten – wurden in einer großen Zählaktion im vergangenen Jahr bei Oetzendorf gefunden.
Siegfried Tippel war dabei Mitte der 1980er Jahre einer der ersten, die sich um die Tiere kümmerten und in Eigenregie Krötenzäune errichteten. „Im Frühjahr war die Straße sonst voller Tierleichen“, erinnert sich der Bevenser mit Schaudern, da zwischen Winterquartier im Wald und Laichgewässern die Kreisstraße 45 liegt. 21 Jahre lang hat Tippel sich jedes Jahr für die Amphibien stark gemacht, hat Kindergartenkindern die Tiere beim Aufsammeln nahe gebracht und unermüdlich Eimer mit Tieren von A nach B getragen. „Wir haben es einmal zusammengerechnet – rund 100.000 Tiere haben wir in dieser Zeit gerettet“, sagt er.
Es ist also wirklich viel los in Flora und Fauna rund um Oetzendorf. Inzwischen wird die Straße in der Wanderzeit zwischen 19 Uhr abends und 7 Uhr morgens gesperrt – und bald soll diese Übergangslösung durch einen mit EU-Geldern geförderten Tunnel ersetzt werden. Die Fördergelder der NBank sind bewilligt, auch der Landkreis investiert: Nun liegt der Schutz der Tiere in Händen der Unteren Naturschutzbehörde: „Es hat sich wegen der Pandemie alles verzögert, aber wir werden uns demnächst um die Ausführungsplanung kümmern“, sagt Alexander Krüger, Leiter des Umweltamtes. „Das ist schon ein besonderes Projekt“, erklärt er – denn Ziel sei, dass der Schutz der Tiere nicht mehr auf den Schultern von über die Jahre immer weniger werdenden Freiwilligen laste, sondern nunmehr der Landkreis verantwortlich zeichnet. Die Tunnelquerung sei eine, so Krüger, „zentrale Maßnahme für das hiesige FFH-Gebiet“. Für rund eine halbe Million Euro wird so nun eine seltene und für Norddeutschland einzigartige Population geschützt.
Viel Natur lässt sich auch an anderen faszinierenden und artenvielfältigen Orten im Landkreis bestaunen. Drei seien hier beispielhaft genannt:
Wasserspeicher Stöcken:
Vor knapp 20 Jahren entstand an der Kreisstraße 17 zwischen Stöcken und Rätzlingen ein 650.000 Kubikmeter – das bedeutet unvorstellbare 650 Millionen Liter – umfassendes Speicherbecken, in dem das während der Rübenkampagne anfallende Wasser aus der Zuckerfabrik gesammelt und im Folgejahr für die Feldberegnung genutzt wird. Wasservögel unterschiedlichster Art – beispielsweise Kormorane, Graureiher, Kraniche, mit Glück sogar Seeadler oder Flussregenpfeifer – finden hier einen Rast- oder Lebensplatz und lassen sich ideal von einem Beobachtungsstand aus betrachten. Info-Tafeln berichten über die Entstehungsgeschichte und Funktionsweise des Wasserspeichers.
NaBu-NEST in Oldenstadt:
Der Naturschutzbund (NaBu) betreibt an der Straße zwischen Oldenstadt und Groß Liedern (direkt hinter dem Möbelhaus) eine Naturerfahrungsstätte (NEST). Es handelt sich um einen alten Garten, der zu einem Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren umgewandelt wurde.
Ein kleiner Bach fließt am Rande des Grundstücks entlang und bietet Eisvögeln einen Lebensraum, zwei Teiche, alte Baumbestände, eine Kräuterspirale, Lehrbienenstand, Insektenhotel, Nistkastenpavillon und Fledermausturm befinden sich ebenfalls auf dem frei zugänglichen idyllischen Gelände. Je nach Jahreszeit zeigt das Gelände einen ganz eigenen Charakter. Und obwohl die nahe Bundesstraße gut zu hören ist, handelt es sich beim NEST um ein einzigartiges und von vielen Ehrenamtlichen liebevoll gepflegtes Idyll.
NaBu-Biotop in Molbath:
Auf dem ehemaligen Lehmabbaugebiet der alten Ziegelei am Ortsrand von Molbath versorgt der NaBu ein wechselnasses Biotop, das Lebensraum für Röhrichte, Weidengebüsche und Laichort für eine große Population von Moorfröschen ist. Schön anzusehen in den unterschiedlichen Schattierungen der Jahreszeiten ist es vom Beobachtungsstand ohnehin. Augen schließen, dem Wind und den Vogelstimmen lauschen – herrlich.
[J. Fuge]