Seite lädt...

Aktuelles Allgemein

Ein Traum erfüllt sich

teilen

Fotos: Eva Neuls

Neuer Dorfmittelpunkt vereint Therapie, Prävention und ländliche Kultur

Auf’m Dorf kennt jeder jeden. Das ist eine der positiven Seiten des Landlebens. Vernetzen ist viel einfacher, und es bietet Vorteile, wenn die Menschen voneinander wissen und aneinander denken. „Es waren zwei Begegnungen während meines täglichen Hundespaziergangs, die alles ins Rollen gebracht haben. Zunächst ein befreundeter Landwirt, der mir seine Kartoffelscheune, direkt neben meinem Wohnhaus, zum Kauf angeboten hat. Er wusste um meinen Wunsch, mehr Platz für eigene Möglichkeiten zu haben“, erzählt Sandra Bäuerle auf die Frage, was den Impuls gegeben hat, ausgerechnet während Corona und den Lock-Down-Szenarien im Sommer 2020 eine solche Investition im beschaulichen Kroetze zu wagen und ein neues Therapiezentrum umzusetzen. „Und dann unser Zimmermann im Ort, den ich kurz danach traf und nach den Kosten einer Dachsanierung für die Scheune fragte. Er machte mich auf die EU-Förderprogramme mit ihren vielen Unterstützungsmöglichkeiten aufmerksam, die innovative Projekte zur Stärkung ländlicher Strukturen und Versorgung fördern.“

Dann ging alles ziemlich schnell. „Die Antragsfrist endete im Oktober 2020. Das wäre schon ohne „Corona“ herausfordernd gewesen, aber jetzt rückblickend, als alleinerziehende Mutter mit Home-Schooling und den erschwerten Bedingungen für mich und meine Mitarbeiter:innen, war das schon ein bisschen verrückt. Für die Förderung musste ein umfangreicher Projektantrag geschrieben werden, bei dem alle am Antrag Beteiligten mich aber großartig unterstützt haben.“ Dazu gehört auf alle Fälle Mut – und den hat die sympathische 43-Jährige bereits vor 15 Jahren bewiesen, als sie sich mit ihrer Praxis für Ergotherapie in Suhlendorf selbstständig machte – trotz Schwangerschaft. 2008 und 2011 wurden ihre beiden Töchter Marla und Iva geboren. Das hat ihre betriebliche Entwicklung aber nur vorangebracht. „Ich war darauf angewiesen, Mitarbeiter:innen zu beschäftigen“, erklärt sie. Das bringe nochmal ganz neue Möglichkeiten und Herausforderungen mit sich, die ihr heute gewissermaßen zugutekämen, außerdem: „Aufgeben ist keine Option“, lacht sie schulterzuckend. Während Sandra Bäuerle über ihren beruflichen Werdegang berichtet, lässt sich erahnen, dass die Liebe zu dieser Berufung und das Erlernen ihres therapeutischen Handwerks sicherlich einiges dazu beitrugen, dass sie schon als junge Frau das Rüstzeug dafür im Gepäck hatte. Die Ansätze in der Ergotherapie sind sehr lebensnah und knüpfen an den Alltag der Patient:innen an, schaffen Handlungsspielräume und erweitern deren Möglichkeiten. „Davon habe auch ich profitiert. Außerdem habe ich zuvor eine kaufmännische Ausbildung absolviert, die ist schon hilfreich für eine Selbstständigkeit. Während der Ausbildung zur Ergotherapeutin konnte ich bereits Erfahrung in der Praxis sammeln und hatte das große Glück, im Anschluss unter anderem bei einem Kinder- und Jugendpsychiater freiberuflich tätig zu sein. So konnte ich von Anfang an interdisziplinär arbeiten. Nach drei Jahren folgte die Eröffnung der Praxis in Suhlendorf.“

Praxisinhaberin und Ergotherapeutin Sandra Bäuerle

Die Nachfrage war da, es fehlten Angebote im ländlichen Raum, vor allem im Ostkreis Uelzens. Für Mitarbeiterinnen verantwortlich zu sein, habe dabei geholfen, den Blick für das große Ganze zu behalten und beruflich geistig flexibel zu bleiben. „So konnte ich mir aber auch den Raum nehmen, mich weiterzuentwickeln und beruflich weiterzubilden.“ Besonders der systemische Ansatz in der Ergotherapie habe sie interessiert, die verhaltenstherapeutischen Komponenten, die Neurologie und Psychologie: Das Verstehen, warum wir sind, wer wir sind. Dafür sei ein breites medizinisches und psychologisches Grundwissen erforderlich, um dieses dann in der Ergotherapie zu verbinden. „So habe ich im Laufe der Jahre diverse fachliche Aus- und Weiterbildungen absolviert. Unter anderem bin ich Fachkraft für schulbasierte inklusive Ergotherapie. Dazu kommen z. B. Weiterbildungen im Bereich der Verhaltenstherapie, des Autismusspektrums, ADHS und Entwicklungsverzögerungen. Die Pädiatrie ist mein Schwerpunkt, aber ich liebe auch die Arbeit mit Erwachsenen in der Neurologie und Orthopädie, z. B. nach Schlaganfall oder Unfallverletzung. Das macht die Arbeit ausgewogen. Als Team sind wir fachlich breit aufgestellt und bieten neben Ergotherapie auch Physiotherapie an, so dass viele Aspekte miteinander verbunden werden können. Ich bin zudem Entspannungstherapeutin, denn ein gutes Resilienzfundament kann man in schwierigen Lebensphasen gut gebrauchen“, erklärt Bäuerle. Gute Brückenbauer für verschiedenste Bereiche ihrer therapeutischen Arbeit sind Tiere. Da sie selbst Tiere liebt und bereits als Jugendliche mit Pferden gearbeitet hat, ist eines ihrer besonderen Tätigkeitsfelder die tiergestützte Intervention – mit Pferd, Hund, Ziege und Meerschweinchen. Dafür hat sie ebenfalls eine zusätzliche Ausbildung zur Fachkraft absolviert.

„Ich hatte schon länger den Wunsch, all diese Aspekte stärker miteinander zu verbinden, und nun ergab sich die Gelegenheit für den nächsten Schritt und das neue Therapiezentrum. Außerdem ist es eine wunderbare Möglichkeit, den Menschen hier mit meiner Arbeit etwas zurückzugeben.“ Das Therapiezentrum soll auch eine Bereicherung für das Dorf und ein Ort der Begegnung sein. „In dieser Scheune ist viel passiert, unter anderem haben Dorfbewohner und Geflüchtete hier während des zweiten Weltkriegs gemeinschaftlich Zuflucht gefunden und gelebt. Zwei Frauen aus dem Dorf, die diese Zeit noch miterlebt haben, kamen zu unserem Richtfest.“ Sandra Bäuerle und ihre elf Mitarbeiter:innen haben erst kürzlich ihre neuen Räumlichkeiten in der geschichtsträchtigen Kartoffelscheune bezogen. „Ein bisschen Feinschliff fehlt noch, aber im Sommer wollen wir zu einer Eröffnungsfeier einladen – der erste Schritt zur Öffnung für das Dorfleben. Ich möchte die Räumlichkeiten für Seminare, Retreats und Workshops zur Verfügung stellen, ebenso für Familienfeiern, Kunst und Kultur. Das sind einfach coole Räume, modern und doch traditionell – und natürlich barrierefrei! “

Ihr Weg zeigt, dass es auf dem Lande Chancen und Möglichkeiten gibt, die Region zu entwickeln, Arbeitsplätze zu sichern und innovative Konzepte umzusetzen. Dabei können Programme für die ländliche Entwicklung wie ZILE und LEADER helfen. Beide EU-Förderungen des Europäischen Landwirtschaftsfonds starten aktuell in eine neue Förderperiode. Zuständig sind die Ämter für regionale Landesentwicklung (ArL). Sandra Bäuerle bietet ebenfalls an, andere an ihrer Erfahrung teilhaben zu lassen. Anfragen können gerne an info@therapie-baeuerle.de gesendet werden. [Eva Neuls]

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel