„Die spielen da ja bloß!“
teilen
Was Jonglierbälle und Nusskekse in der Lerntherapie zu suchen haben
„Nun sitz doch mal still und konzentrier dich!“, Bennys Mutter ist genervt. Seit einer Stunde sitzt ihr achtjähriger Sohn schon an seinen Hausaufgaben und kommt nicht wirklich voran. Ständig zappelt er mit den Beinen, sein Blick wandert immer wieder aus dem Fenster, wo die Sonne und seine Freunde warten. „Wann kann ich endlich raus zum Spielen?“, nörgelt Benny. „Nicht, bevor du diese Text-Aufgaben hier gerechnet hast.“ „Aber ich kann das nicht! Ich bin zu dumm für Mathe.“ In seinen Augen sammeln sich Tränen.
Fast täglich ereignen sich solche Szenen. Daher lässt die Mutter Benny fachärztlich testen und erfährt, dass er eine ausgeprägte Rechenschwäche, Dyskalkulie, hat. In der Schule bekommt er nun den Nachteilsausgleich. Und einmal die Woche geht er zur integrativen Lerntherapie. Schon nach einigen Wochen rastet er bei den Hausaufgaben nicht mehr so oft aus und wirkt insgesamt entspannter. Seiner Oma berichtet er fröhlich vom Trampolinspringen, Jonglieren und Kekse-Kneten in der Lerntherapie. „Und wann rechnet ihr mal richtig?“, fragt diese skeptisch. Verdutzt schaut Benny sie an. „Aber wir rechnen doch die ganze Zeit, Omi! Nur eben so, dass ich es verstehe.“ Die Mutter erklärt es der Oma: Kinder lernen über den Körper am besten. Sie müssen in der Entwicklung bestimmte Bewegungserfahrungen machen, damit sie ein sicheres Körpergefühl, Gleichgewicht, Richtungs- und Lage-Sinn aufbauen können. Mathematik hat viel mit räumlicher Vorstellung zu tun. Zum Beispiel: Die Zahl 3 bekommt einen anderen Wert, je nachdem wo sie steht: 395 oder 953. Das kann man durch „Herumhüpfen“ auf dem Zahlenstrahl wirklich erfahren.
Durch das Hantieren mit strukturiertem Material begreift Benny, dass Zahlen Mengen bedeuten, die zerlegbar sind. Das ist wichtig für jede Rechenart. Und warum soll man beim Lernen immer am Tisch sitzen? In der Therapie mag er gern über Hindernisse klettern und mit der Magnet-Angel Aufgabenkarten fischen. Benny hält der Oma eine Handvoll Kekse hin. „Guck mal, Omi! Die hab ich neulich in der Therapie geknetet und zuhause gebacken.“ Stolz legt er ein paar auf den Tisch, die mit verschiedenen Mengen von Nüssen belegt sind. „Damit hab ich Mal-Aufgaben geübt: Drei Kekse mit je vier Nüssen sind wieviele Nüsse?“ „Zwölf“, antwortet die Oma lächelnd. „Aber die Minusaufgaben mag ich am liebsten!“, ruft Benny und beißt von dem Vierer-Keks die Hälfte ab. „Vier mimuff Pfei ift Pfei!“ Grinsend bietet er der Oma die andere Hälfte an. Und sie begreift, dass er in der Lerntherapie genau richtig ist.
[Nicole Brausendorf]
Kreisverband Legasthenie Lüneburger Heide e.V.
Tel 0581 5670
https://www.legasthenie-uelzen.de/