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Die Cleo vom Nil

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Theater für Niedersachsen brachte zu Silvester eine Rarität ins Theater an der Ilmenau

Wenn die Handlung in zweieinhalb Minuten erzählt ist, die Aufführung aber zweieinhalb Stunden dauert, muss man sich was einfallen lassen, damit das Publikum nicht von der Fahne geht. Das Theater für Niedersachsen (TfN) ließ sich eine bunte Kostümrevue einfallen. Das vor allem. Dass der Abend trotzdem einigermaßen abwechslungsreich war und man sich nicht dem Finale entgegen gähnte, ist an Silvester leichter. Da ist man toleranter und will sich die Feierlaune nicht versauen lassen. Trotzdem war der Theatersaal nur halb besetzt. „Die Perlen der Cleopatra“, die Operette von Oscar Straus, hatten wohl doch nicht die Anziehungskraft wie erhofft.

UweTobias Hieronimi und Sonja Isabel Reuter

Vor 100 Jahren, im Jahr 1923, brachte das Theater an der Wien dieses Werk heraus. Es war die Zeit, als die Büste der schönen Königin Nofretete erstmals öffentlich ausgestellt wurde, und Howard Carter gerade das Grab von Tutenchamun entdeckt hatte. Man kennt das ja: Der Hype geht nach dem Zeitgeist. Wir hatten den letzten, als man sich auf die Saurier besann.

Jetzt also Cleopatra, die liebestolle Königin. Die war gerade von Julius Caesar verlassen worden und auf der Suche nach neuer Beute. Es passiert nicht allzu viel, bis sie mit Marcus Antonius den nächsten Favoriten hat. Keine Schlange weit und breit – Cleopatra denkt nicht daran, Macht abzugeben oder gar zu sterben. Auch wenn die Römer auf dem Vormarsch sind und – historisch korrekt – nach Cleopatras Tod die Pharaonen-Dynastien am Nil beenden werden. Dank ihrer (Liebes)Perlen wird die Dame allerdings deren Feldherr einzuwickeln wissen.

Eine Frau zwischen Herrscheroption und Liebessehnsucht ist nicht zu beneiden, dazu muss sie auch ihr Volk bei Laune halten, denn die Umweltprobleme gehen schon im Alten Ägypten los: Der Nilpegel sinkt. Weil jedoch „der Aberglaube der Völker das Fundament der Throne“ ist, kehrt nach einem Opferritual wieder Ruhe ein und die Königin kann sich ihrem Liebesleben zuwenden. Das sie zu keiner Zeit aus den Augen verlor. So einfach kann es im Alten Ägypten nicht gewesen sein!

Yohan Kim als Prinz Beladonis

Was macht nun das TfN aus diesem Schinken? Von Oscar Straus kennt man den „Walzertraum“, eine kleine k.-u.-k.-Monarchie-Romanze; und eigentlich ist 1923 die Hoch-Zeit der Operette schon vorbei. Johann Strauß war schon 24 Jahre tot, Emmerich Kalmans großer Erfolg, „Die Čardasfürstin“, auch schon ein paar Jahre her. Außerdem wollte sich Oscar Straus mehr an Offenbach und dessen bissiger Kritik am Hofe Napoleons III. orientieren („Orpheus in der Unterwelt“). Davon ist die „Cleopatra“ weit entfernt. Die Operette als die Mutter des politischen Musiktheaters kommt eindeutig zu kurz.

Es war wie gesagt eine fantasievoll ausstaffierte Angelegenheit (Bühne/Kostüme: Sebastian Ellrich). Viel Klamauk, viele Albernheiten. Der Choreografin (Annika Dickel) fiel für die viel beschäftigten Tänzer*innen leider nicht allzu viel ein. Der Chor war wohl studiert (Achim Falkenhausen), die musikalische Gesamtleitung hatte Florian Ziemen.

Da schallt es also aus dem Orchestergraben zu Beginn ähnlich dem berühmtesten Triumphmarsch – Verdi lässt grüßen. Na, der Ort der Handlung stimmt. So einen richtigen Ohrwurm hat das Werk nicht. Vielleicht muss die Inszenierung deshalb auf diverse Anleihen zurückgreifen. Man kann den eingebauten Mozart witzig nennen, die Shakespeare-Verse vielleicht auch. Das Textverständnis verdient die Note Drei; leider ist der Teleprompter mit den Versen ab der Mitte das Saales nicht mehr zu entziffern. Das ist bei einem solch unbekannten Werk fatal, auch wenn die Handlung keine philosophischen Probleme wälzt.

Silke Dubilier als Cleopatra

Unter den Solisten ist seit vielen Jahren Uwe Tobias Hieronimi (Erster Minister Pampylos) eine sichere Bank. Aber auch Silke Dubilier als Cleopatra und Yohan Kim als Prinz Beladonis machten stimmlich meist eine gute, standfeste Figur. Angenehm auffällig war, dass das Orchester sich im Zaum zu halten wusste und nie im Lautstärke-Wettstreit mit den Sänger*innen stand.

So vertrieb das TfN dem Publikum die Zeit bis zur Champagner-Mitternacht. Es war nicht mehr – aber auch nicht weniger. Nicht jede Antiquität ist eben kostbar wie eine glänzende, funkelnde Perle. Obwohl der Liebesduett-Walzer nicht fehlte und es am Schluss einen flotten Marsch gab über die (dekadenten) Zustände am Nil. Prosit Neujahr!

Barbara Kaiser – 01. Januar 2024

 

 

 

 

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