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Der Fabulierer

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Malte Brekenfeld mit "Diana im Bade 1"

Bilder voller Fantasie – Ausstellung Malte Brekenfeld im Kunstverein/Vernissage Sonntag, 03. März 2024, 17 Uhr

So wie man aufmerksam hinsehen muss bei den Bildern von Malte Brekenfeld, muss man genauso auch zuhören, redet man mit dem Künstler aus Mecklenburg. Denn er sagt sinngemäß wie nebenbei vor dem Bild „Schlaraffia“: Es ist eine Allegorie auf die Völlerei wie bei Breughel oder Bosch, aber seltsamerweise kommt keiner auf die Idee, bei so viel freier Zeit mal ein Buch zu lesen. Es wird nur faul rumgelegen und gefressen. – Dabei ist das Bild ein freundliches, mit lustig-farbigen Pilzhüten, unter denen die Leute lümmeln. Schaut man aber genauer hin keimt die Ahnung, ja, die böse Gewissheit, dass so viel Faulheit die Dummheit im Gefolge haben wird. Ist es eine Dystopie für all die viel zu Satten und Fetten in Europa?

Schlaraffia

Schlaraffia

Malte Brekenfeld ist ein großer Geschichtenerzähler und er steht dazu. Er fabuliert drauf los, und sicherlich entschlüsselt der Betrachter die Figuren, die Titel der Arbeiten nicht bis ins Letzte. Denn der Ausstellungstitel „Ich sehe was, das ihr nicht seht“, das alte Kinderspiel, will es so. Schon als Junge habe er viele Blätter vollgezeichnet und „meine Sicht auf die Welt“ in Geschichten gegossen. Heute tut er das mit Eleganz und einer gewissen fröhlichen Unordnung. Geistiges und Emotionales bilden eine Melange, die kaum zu beschreiben, nur zu empfinden ist. Der Künstler macht eine Fülle von Angeboten, die aber an keiner Stelle ins Leere kippen. Er ist ein leichtfüßiger Improvisator flottester Temperamentsspuren, die trotzdem in ihrer eigenen Ordnung sind. Denn das heiterste Geheimnis dieser Welt ist doch: Alles bleibt offen. Da-Sein muss nicht immer zwingend So-Sein sein.

Malte Brekenfeld wurde im Jahr 1966 in Teterow geboren. Die Stadt liegt ein paar Kilometer südöstlich von Rostock in der schönsten Landschaft der Mecklenburgischen Schweiz, die die letzte Eiszeit zurückließ. Er machte dort sein Abitur, ging zur Armee, wie es üblich war. Im Jahr 1986 begann er ein Studium der Biologie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Weil er die Natur und vor allem – als passionierter Angler – die Fische liebte, meinte er, in diesem Fach richtig zu sein. Es war ein Irrtum. So begann er gegen den Widerstand seiner Eltern im Jahr 1988 das Studium Grafikdesign an der Kunsthochschule Berlin/Weißensee, schloss es mit Diplom 1993 ab. Seitdem ist er freiberuflich tätig.

Er erhielt Stipendien (Arbeitsreisen nach England und Indien)  und diverse Preise, ist Mitbegründer von „Kunst auf Kreuzfahrtschiffen“. Wer wusste schon, dass die Aida-Flotte einen Art-Manager beschäftigt?  Ist aber so. Weil die Leute im Urlaub großzügiger sind und an einem See-Tag auch mal gewillt, sich der Kunst anzunähern, funktioniert das gut, wie Brekenfeld erzählt. Auf den Schiffen zeigt er seine zauberhaften „Seekarten“, die er leider nicht mit nach Uelzen brachte. Das sind Wimmelbilder der Art, wie man sie aus der Historie kennt: Karten mit Seeungeheuern, Segelschiffen und anderem Allerlei.

In der Galerie des Kunstvereins zeigt der 57-Jährige neuere Arbeiten. Aufregende  Kaleidoskope, jedes ein Kosmos der Anspielung auch. An das (diesjährige) Thema  „Natur und Mensch“ habe er sich äußerlich versucht zu halten, sagt Brekenfeld. Ihm selber stelle sich jedoch immer die Frage: Gibt es „die Natur“ überhaupt noch?  Spätestens seit der Meldung, dass es Mikroplastik auch in der Tiefsee gibt, hat sich das Wort „unberührt“ erledigt. Überall hat der Mensch seine Finger im Spiel, treibt unsäglichen, irreversiblen Raubbau. Deshalb will Malte Brekenfeld statt „Natur“ lieber „Refugium“ oder „Landschaft“ sagen. „Randrefugien zwischen Romantik und Restnatur im Industriezeitalter:“

Der Künstler hat darauf wahlweise eine optimistische und eine fatalistische Sicht. An einem optimistischen Tag füllt er das Reservoir (in diesem Falle die Leinwand) mit Protagonisten, die eine Geschichte erzählen. Geht es eher fatalistisch zu, heißt das Bild dann beispielsweise „Archipel Mrtschok“ und ist eine düstere, böse Geschichte darüber, wie die Welt aussähe, wenn Putin seinen Krieg gewönne. Brekenfeld legt Wert darauf zu betonen, dass er nie das Böse (was immer das ist) abbildet, „weil das Böse uns nicht als Mensch gegenübertritt“.

Die Erzählungen lassen Platz für das sprichwörtliche Mauerblümchen, das Lichte, Helle, das sich aus einem humanistischen Verständnis von der Welt speist. „Ja, ich bin bekannt für meine Gutgläubigkeit!“, erwidert der Maler sofort auf mein Stirnrunzeln. Aber er hat Recht: Man kann die Welt nicht nur negativ sehen, eine klitzekleine Portion Optimismus muss man sich bewahren, sonst suche man sich gleich eine hohe Brücke…

Und so bleibt das Verhältnis gut/böse ambivalent. Den Widerspruch gilt es auszuhalten. Malte Brekenfeld verarbeitet ihn künstlerisch. Auf gar keinen Fall aber trägt er dabei die Monstranz „Ich weiß was!“ vor sich her. Plakativ will er nicht sein in seiner Kunst, er ist kein Agenda-Künstler. Und ein Agitproper  schon gar nicht. Seine Bilder sind feine Arrangements, auf denen die Figuren eine Vielfältigkeit des Miteinanders proben. Sie sind Solitäre des Selbstbewusstseins, können so aber auch das berühmte Nebeneinanderherleben symbolisieren oder eine große Einsamkeit vermitteln. Brekenfeld seziert und zeigt. Was verstörend genug sein kann.

UFO

UFO

Es gibt aber auch politische Anmerkungen. Beispiel „Das UFO“. In Mischtechnik auf Bütten gearbeitet, entstand das Blatt im Jahr 2015, kurz vor Angela Merkels verhängnisvollem Satz „Wir schaffen das“. Es ist ein Menetekel, eine Weissagung fast. Während nämlich auf einer Art Kelch eine freundliche, farbig gekleidete Gruppe herabschwebt, hat unten (auf der Erde) schon einer das Gewehr im Anschlag, die Bewohner sehen Ungeheuern ähnlicher als Gastgebern. Den Reim darauf möge man sich selber machen.

Auf „So ein Tag am Meer“ dagegen scheint jeder nach seiner Fasson selig zu sein. Ich wage jedoch zu behaupten, dass es Malte Brekenfelds Fasson nicht ist: Der Strand ist mit viel zu vielen Menschen bevölkert! Es ist zu befürchten, dass sie sich ins Gehege kommen werden, dass es Streit geben wird und es aus ist mit der Sommerfrische.

Was macht eine gute Ausstellung mit uns? Sie trainiert den Blick, lässt Bekanntes wie neu und unbekannt erscheinen. Sehen – nicht nur Gucken – ist etwas, das man lernen muss. Aber die aufgewendete Mühe verspricht Genuss, weil es etwas Aktives ist, etwas anderes als bloßes Konsumieren. Und Sehen ist ein Stück Anverwandlung, Identifikation vielleicht. Bei Malte Brekenfeld finden sich zahlreiche Ansatzpunkte dafür.

Die Ausstellung ist geöffnet bis 31. März 2024. Samstags 15 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr. Besuch von Gruppen nach Absprache mit der 2. Vorsitzenden Renate Schmidt, Tel. 0581-76675 oder 0170-332 50 29.

Barbara Kaiser – 02. März 2024

Bärchentier

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