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Da fehlte die Schärfe

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Foto: Barbara Kaiser

Kabarett „Die Distel“ gastierte im Theater an der Ilmenau

„Das Kabarett in Deutschland ist tot“, ruft der Kabarettist. „Mausetot!“ Ja, und was tut Ihr denn dagegen, möchte man zurückfragen. Ihr Meister der Pointen, der intellektuellen Unterhaltung, der Ironie, der Bosheit auch. Nicht viel. Dem Auftritt des Quintetts der „Distel“, dem Kabarett aus der Hauptstadt (nicht mehr der Deutschen Demokratischen Republik), fehlte es an Schärfe. Da wurde parliert, gealbert auch. Den „große Traum vom Verstand“ (Konstantin Wecker) vermisste man in 120 Minuten Programm.

Nancy Spiller, Stefan Martin Müller, Frank Voigtmann, Matthias Felix Lauschus (als Jannek, der Nicht-Bio-Deutsche, wo man den Pädagogen spielen darf, an Schlagwerk, Trompete und Gitarre) und Fred Symann als Simon (Piano) schwatzten über Dinge, nicht über Probleme.

Stefan Martin Müller, Nancy Spiller und Frank Voigtmann: „Money makes the world go round“!

Man geht doch ins Kabarett der stillen Übereinkunft wegen, wo eine Minderheitenexistenz den Geist der Anständigkeit und Differenzierung feiern kann. An diesem Abend waren es ein paar Kalauerkaskaden zu viel. – Aber gibt es überhaupt etwas, womit man eine sich spaltende Gesellschaft, eine immer mehr zur Parodie geratenden politischen Kaste noch ironisch brechen und bespiegeln könnte? Dietrich Kittner betonte in seinen Programmen immer öfter, dass er Politiker nur noch zitieren müsse für einen Spaß. Selten tut Lachen ja so weh wie derzeit. Sind die Kabarettisten nur noch welche aus Verzweiflung? Politisches Kabarett ist der Hofnarr der Verhältnisse – man mag Lindner, Merz und Co. nicht fragen, ob sie sich um die Weisheit dieser Künstler überhaupt scheren.

„Wer hat an der Welt gedreht“, fragten die Berliner Gäste. Es war das 156. Programm in der 71-jährigen Geschichte des Ensembles und stammt aus dem Jahr 2022. Es thematisierte den Klimawandel – natürlich. Nach dem Meteoriteneinschlag vor 65 Millionen Jahren, dem die Saurier zum Opfer fielen, hatten nur zehn Prozent aller Spezies überlebt. Nach dem Gau des Klimawandels wird es genauso sein. Und wir Menschen werden nicht zu den zehn Prozent gehören. Aber das ficht ja bis jetzt keinen an, fliegen wir halt zum Mond. Oder zum Mars.

Bis dahin kann man sich auch kollektiv mal einen ausgucken, den man in die Rassisten-Ecke stellt. Dafür reicht es aus zu fragen, warum bei Roy Black und Roberto Blanco der eine so heißt wie der andere aussieht. Dass der alte Kinderspruch „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ aus der Gaunersprache kommt und Diebe und Einbrecher meinte, ist völlig egal – „schwarzer Mann“ sagt man nicht. Basta.

Frank Voigtmann, Nancy Spiller, Matthias Felix Lauschus und Stefan Martin Müller. Fotos: Barbara Kaiser

Mit noch anderen Fakten angereichert, schlängelte sich das Programm überflüssigerweise auch zum Thema „alte Männer – junge Frauen“. Das war gerade noch Gürtelliniencomedy. Und das Kabarett-Gerücht, dass der AfD-Faschist Björn Höcke sich als Frau fühlt, ist eigentlich  wenig lächerlich, weil es seine Gefährlichkeit nicht verringerte. „Wenn man wüsste, was die AfD so vor hat,/ wenn sie erst die Macht am Brandenburger Tor hat…“ sangen die Akteure. Na, das will man sich doch lieber nicht vorstellen!

Apropos: Die Lieder des Programms. Leider blieb an vielen Stellen das Textverständnis auf der Strecke. Was ansonsten schauspielerisch und künstlerisch auf der Höhe der Aufgaben war, verschenkten die Künstler zu oft mit ihren musikalischen Einlagen.

So war die Empörung über die Zustände dieser Welt nicht in ganz bösen Witz, in heißen Zynismus verkleidet, wie es der österreichische Kabarettist Josef Hader einmal verlangte. Ja, und wer hat denn nun an der Welt gedreht? Schauen wir mal bei Lenin nach: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ ist`s, der die Welt immer schneller rotieren, immer brutaler, kriegerischer  und heißer werden lässt. Bis auf den Abgrund zu – wenn wir sie nicht aufzuhalten in der Lage wären! Sind wir das? Das Programm der „Distel“ bot zu wenige Möglichkeiten, aufzuklären, aufzufordern, zu motivieren.

Barbara Kaiser – 26. Februar 2024

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