Begegnungen – erstes Kapitel
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Jochen Quast fotografierte Künstlerkolleg*innen in ihren Ateliers/Ausstellung in Oldenstadt
Eigentlich ist es ja ein altes Thema, der Atelierbesuch. Sagt auch Jochen Quast. Als beispielsweise der Maler Georg Friedrich Kersting Anfang des 19. Jahrhunderts den Romantiker Caspar David Friedrich in seinem Atelier in Dresden besuchte, schuf er gleich drei Varianten eines Bildes. Quast ging in diesem Sommer mit der Fotokamera bewaffnet zu 17 Künstler*innen. Herausgekommen sind spannende und authentische Porträtaufnahmen, die noch bis zum 15. Oktober 2023 in der BBK-Galerie in Oldenstadt zu sehen sind. Gleichzeitig ist diese Ausstellung das erste Kapitel eines Projekts, das „Begegnungen“ genannt wurde und das den Bund Bildender Künstler (BBK) und den Kunstverein Uelzen in aufregender Weise zusammenführt.
In Oldenstadt stehen zunächst die Fotografien für sich und Jochen Quast wirkt entspannt und zufrieden: „Es war einfacher als gedacht“, sagt er. Denn man stelle es sich vor: Da kommt einer, latscht durch einen sehr privaten Raum, macht ein paar Fotos und geht wieder. Mit Quast funktioniert das ganz anders. Er habe mit jedem mindestens eine Stunde gesprochen, oft viel länger. Der Fotograf behält sich vor, den Blickwinkel festzulegen, es geht um den Raum und um den Künstler. „Aber ich glaube schon, ich habe niemanden zu etwas gezwungen“, lacht er als Resümee. Er bliebe „auf der Suche in der Situation“, das „Modell“ dürfe machen, was es wolle. Malen, schnippelt, Bilder sortieren, sie betrachten.
So entstanden 17 Schwarzweißaufnahmen, die doch sehr typisch für ihre Protagonisten sind.
Ein Foto kann ja (fast) alles. Lügen und betrügen zuerst. Nebenbei: Man erinnere sich an die berühmten Bildfälschungen von Stalin, wenn er die „Abtrünnigen“ aus den Gruppenbildern retuschieren ließ. Ein Foto kann aber auch in die Tiefe gehen. Ich glaube zwar nicht, dass die Fotografierten Fassade vor sich hertrugen – so wie es beispielsweise die Schauspieler, die Jochen Quast in einer Ausstellungen vor zwei Jahren ablichtete, vielleicht taten – aber dem Fotografen gelingt es immer, dass wir, die Betrachter, den Menschen hinter dem Bild zu sehen in der Lage sein können. Dass die Malerinnen und Maler, mit denen wir es in diesem Landkreis öfter zu tun haben, sehr nahbar sind. Ja, sympathisch auch.
Jochen Quast arbeitet seit 1996 als Fotograf, seit 2001 als Theaterfotograf. Heute für sieben Bühnen zwischen Heilbronn und Lübeck. Fotografiert hat er eine lange Zeit für das Bayreuther Festspielhaus, auch die Semperoper Dresden war sein Auftraggeber. Seit ein paar Jahren lebt der 58-Jährige im Landkreis und zeigt das zweite Mal Ergebnisse seiner Tätigkeit.
Diese Fotoausstellung ist nur das erste Kapitel einer Erzählung, die zwei davon hat. Weil die Künstler*innen auf das Foto von Jochen Quast antworten werden. Zusammen mit seinen Bildern sind die Ergebnisse dieser Erwiderung ab 18. November 2023 in einer Ausstellung im Kunstverein (Theaterkeller) zu sehen.
Es war also insgesamt ein hoch interessantes Vorhaben: Jemand antwortet auf das Bild, das ein anderer, in diesem Falle der Fotograf, von ihm hatte. Von den 17 Porträtierten haben 14 darauf reagiert. Auf ihre eigene künstlerische Art und Weise.
Fühlten sich die Fotografierten eigentlich auch schon mal denunziert oder bloßgestellt? Das frage ich Jochen Quast im Gespräch, und die Antwort zeugt auch vom Vertrauen, das er zu seinen Menschen aufbaut, die sich vor die Kamera trauen: „Natürlich kämpfe ich auch für meine Bilder, aber wenn einer gar nicht damit zurecht kommt, kann ich es auch zurücknehmen.“ Aber Quast war ja nie der sensationsheischende Voyeur, obgleich er den Blick von außen bewahrt, sondern immer Sympathisierender, Kollege, Teilhabender.
Seine Künstlerkolleg*innen sind offenbar gut mit den Fotos zurechtgekommen. Vielleicht, weil für Jochen Quast die Kamera „ein Instrument der Liebe und Offenbarung“ ist, wie sie es für seinen amerikanischen Kollegen Ansel Adams war? Oder weil er es wie Arno Fischer macht, der sich überzeugt zeigte, dass ein gutes Foto der in sich vollkommene Moment ist, auf den man warten können muss. Oder ihn eben im Gespräch herausfinden.
Geöffnet ist die Ausstellung in Oldenstadt jeweils samstags/sonntags, 30. September bis 15. Oktober 2023, 13 bis 16 Uhr. Am Freitag, 13. Oktober, 13 bis 16 Uhr. Und am Sonntag, 15. Oktober, 13 bis 17 Uhr. Vernissage ist heute, 29. September, 17 Uhr.
Barbara Kaiser – 29. September 2023