Seite lädt...

Feuilleton

Auf der Zielgeraden Sommerakademie: Erstes Abschlusskonzert auf luxuriösem musikalischem Niveau

teilen

Der Pianist Bernd Glemser sagte am Rande eines Festivals in Süddeutschland, es sei ein großes Privileg, dass man als Musiker die Noten auf dem Papier zum Leben erwecken dürfe. Dazu müsse man sich jedoch mit Demut vor dem Komponisten ans Werk machen. So wie es Swjatoslaw Richter, sein großer russisch-sowjetischer Kollege, einmal gesagt habe: Die Leute sollen nicht auf mich schauen, sondern auf Beethoven, wenn ich Beethoven spiele.

Die Sache mit der Demut ist meiner Ansicht nach ein Markenzeichen der Internationalen Sommerakademie, die mit dem ersten Abschlusskonzert nun auf die Zielgerade einbog. „Wir haben es fast geschafft“, begrüßte Hinrich Alpers die Zuhörer, um zu ergänzen: „Ich bin sehr froh, dass wir es auch in diesem Jahr wieder geschafft haben, so schöne Abschlusskonzerte mit Orchester zu machen.“

Und was für ein Orchester, kann man nach dem ersten Abend ausrufen! Die „Compagnia Musicale“ aus Hamburg, unter der Leitung der Konzertmeisterin Dorothea Fiedler-Muth, entwickelte vom ersten Ton an einen betörenden Sound.

Es waren reichlich zwei Stunden Musik von Komponisten, die im 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert Zeitgenossen waren: Mozart, Franz Anton Hoffmeister und Johann Baptist Vanhal. Schubert, Schumann, Brahms, Liszt. Dazu kam Claude Debussy als der Jüngste.

Aber wen jetzt hervorheben unter den Pianisten, Geigern, Bratschisten und Kontrabassisten? Zwölf Kursteilnehmer hatten ihren Auftritt.

Vehement und lustvoll begann der Abend mit dem 1. Satz des Violinkonzerts D-Dur, KV 218. Wan-Jo Lin (24/Lübeck) bot eine superreine Kadenz, das Spiel versiert unsentimental. Genauso aufgeweckt löste sie Urszula Abramczuk (26/Rostock) mit dem Allegro aus dem Violakonzert von Hoffmeister ab. Offen, humorvoll, nie betulich.

Dann saßen Hikaru Kanki (27/Hannover), Shu-Fei Lu (20/Köln), Knut Hansen (28/Mülheim) und Denis Oleak (25/Köln) am Flügel. Mit Noten von Schubert, Liszt und Brahms.

Für sie alle galt, dass sie Ausdruckskraft, Gefühl und Leidenschaft mit der inneren Dramaturgie des Stücks zu kombinieren wussten. Sie ließen viel Platz für Stimmungsmalerei, zum Beispiel bei den Wasserspielen der Villa d` Este (Les jeux d`eaux á la Villa d` Este – Liszt), oder sie kamen flirrend atmosphärisch und dramatisch daher. Mit Elan und Klarheit (die zwei Klaviersonaten fis-moll und C-Dur von Brahms).

Annina Pritschow (20/Rostock) interpretierte mit Rasanz und Farbe das Finale von Debussys Violinsonate g-moll, und Christina Schoonakker (23/Großbritannien) entfaltete eine assoziative Zauberwelt voller Magie mit einem Stück aus Schumanns „Märchenbildern“. War nun Dornröschen gemeint oder eher Schneewittchen? Das blieb dem Zuhörer überlassen.

Ricardo Müller (22/Rostock) fiel der 1. Satz der Schumannschen Violinsonate d-moll zu. Die erklang mit Unausweichlichkeit und in einem faszinierenden Miteinander mit seinem Begleiter am Klavier (Alpers).

Das Kontrabasskonzert D-Dur des böhmischen Bauerensohns Vanhal war das einzige Werk, das vollständig gespielt wurde – aus Rücksicht auf den Zeitrahmen. Obgleich: Man hätte das eine oder andere gerne in Gänze gehört, weil einzelne Sätze immer Stückwerk bleiben müssen. Am Soloinstrument dafür: Lluis Böhme (24/Hannover), Florian Ziesch (25/Leipzig) und Xenia Bömcke (26/Stuttgart). Alle drei realisierten den wohllautig fülligen Klang in präziser Artikulation und vehement lustvoll. Wobei es Florian Ziesch mit dem Adagio am schwersten hatte. Das Orchester blieb wunderbar anschmiegsam und trug nicht wenig zum jubelnden Schlussapplaus bei.

Summe: Es wurde auf luxuriösem musikalischem Niveau musiziert. Keiner der Solisten fiel durch selbstverliebte Wichtigtuerei auf. Auch das Robuste hatte stets Charme. Die Frage nach meinen persönlichen Favoriten ist schwer zu beantworten. Vielleicht Knut Hanßen, der mir im letzten Jahr schon sehr gefiel, und Xenia Bömcke.

Aber wenn der künstlerische Leiter Hinrich Alpers zu Beginn wieder den Sponsoren den Dank abstattete, stellvertretend dem anwesenden Dr. Florian Ebeling von der Stadt, dann hat das Publikum allen Musikern zu danken. Für ein verführerisches Konzerterlebnis!

Barbara Kaiser – 31. Juli 2021