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Still und voller Glanz

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Fotos: Barbara Kaiser

Beeindruckendes Kirchenjahresabschlusskonzert in St. Marien mit Kantorei und Solisten 

Eigentlich gibt es am Ende dieser Novemberkonzerte nicht immer Beifall, denn es soll der Stille, der Besinnung, auch der Trauer Raum gegeben werden. Nach diesen 70 Minuten allerdings nicht zu applaudieren, hätte sich falsch angefühlt; und so gab es sehr lang anhaltenden Beifall. Der war wohl vor allem dankbar. Dafür, dass es Erik Matz mit seiner St.-Marien-Kantorei und den beiden Solisten Timo Rößner (Tenor) und Reinhard Gräler (Orgel) gelungen war, dieser besonderen Zeit im zu Ende gehenden Kirchenjahr Gehör zu verschaffen. Nicht grell und schrill, auch wenn es in manchen Fenstern, vor allem aber in den Geschäften, schon glitzert und leuchtet, sondern still und voller Glanz. Denn Volkstrauertag und Totensonntag stehen ja noch bevor…

Erik Matz (Kantor)

„Advent ist im Dezember!“ – dieses Motto der Kirche verhallt von Jahr zu Jahr meist ungehört, Erik Matz aber hat es verinnerlicht, wie er in einem Gespräch vorab zugibt. „Für mich persönlich bedeutet es, dass man der Stimmung auch mal nachgibt.“ Also auch Trauer zulässt, Andacht zelebriert, Erwartung aufbaut.

Das Konzert für diese Jahreszeit war trotzdem kein deprimierendes. Schlicht „Alpha & Omega“ benannt, das A und O, der Anfang und das Ende, vereinte es eine Stückeauswahl, meist a-capella, aus Frühbarock, Romantik, Moderne und gar Gospel. Zwischen Melchior Franck (1580 bis 1639), Sergej Rachmaninow (1873 bis 1943) und Kurt Weill (1900 bis 1950) bewegten sich die Noten. Die berühmten Liederschreiber Hugo Wolf (1860 bis 1903) und Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 bis 1847) fehlten genauso wenig.

Und: Es war keineswegs zu düster. „Getragen“ ist vielleicht der passende Ausdruck für den Kammerton des Abends, zwischen Andante und Largo.

Die Kantorei agierte mit großer Einsatzfreude und Energie. „I am Alpha and Omega“ von John Stainer (1840 bis 1901) war eine entschlossene Angelegenheit, der vierstimmige Gospel „Soon Ah will be done it“ eine rhythmische Vergewisserung. Hier tönte nirgendwo bloßer Schöngesang, sondern erklang musikalische Charakteristik. Sergej Rachmaninows „Bogoroditse“ besaß wunderbare Melodiebögen mit Forte-Ausbrüchen – ein Höhepunkt dieses Konzerts. Außerordentlich beeindruckend immer das „Amen“ am Schluss einiger Stücke, das Überwältigungspotential besaß in seiner Zartheit. 

Timo Rößner (Tenor) und Reinhard Gräler (Orgel)

Die eingeladenen Gäste Timo Rößner und  Reinhard Gräler machten den musikalischen Auftritt perfekt. Rößner besitzt eine überzeugende Liederstimme mit großem Tonumfang, er sang von der Empore mühelos Raum füllend. Kongenial Gräler an der Orgel, nie aufdringlich, immer demütig den Noten dienend. Auch in seinem Solo, den „Variations sur un thème de Clément“ von Jehan Alain (1911 bis 1940) blieb er angenehm zurückhaltend.

Nur ein einziges Mal mussten sich Orgel und Chor für ein paar Takte zusammenfinden, dann war diese Paarung ausschließlich Hörvergnügen. Und als Kurt Weills „Kiddush“ (Segensspruch) am Ende fast wie Gershwin klang, war sicherlich jeder der Zuhörer*innen überzeugt, dass Besinnung und Innehalten wunderbares Tun sein können.

Barbara Kaiser – 13. November 2023